Digitalexperte: Verwaltung braucht "durchalgorithmisiertes System"

Johann Bizer vom IT-Verwaltungsdienstleisters Dataport hält mehr Automatisierung und KI für unerlässlich im öffentlichen Sektor. Elster sei hier vorn dabei.

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Auf dem Jahreskongress des Cloud-Anbieters Ionos in Berlin: Achim Weiß, Harald Joos, Holger Lehmann und Johann Bizer (v.l.n.r.)

(Bild: Stefan Krempl)

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Angesichts des Fachkräftemangels gerade auch in der öffentlichen Verwaltung und weiterer Herausforderungen hält Johann Bizer, Chef des norddeutschen IT-Verwaltungsdienstleisters Dataport, eine umfassende Digitalisierung des Sektors für nötig. Spätestens, wenn Bürger Verwaltungsleistungen nicht mehr bekommen, "brauchst du ein durchalgorithmisiertes System", betonte der Jurist am Donnerstag auf dem Jahreskongress des Montabaurer Cloud-Anbieters Ionos in Berlin. Der Ersatz menschlicher Services durch Programmroutinen sei entscheidend: "Die Algorithmisierung spielt eine große Rolle." Dabei gehe es weitgehend um Automatisierung, wovon ein Teilbereich wiederum der Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) sei.

Dataport ist Bizer zufolge dabei, entsprechende Dienste als "Verwaltung-as-a-Service" mit entsprechendem Preisschild auszurollen. "Das kostet so und so viele Millionen", das müssten die Verantwortlichen eben einplanen. Der Rechtsexperte zeigte sich überzeugt: "Das kann man bundesweit machen." Bei der elektronischen Steuererklärung Elster komme dieses Prinzip teils schon zum Einsatz: "Da werden nur noch Fälle raussortiert, wo das Risikomanagement sagt: da musst du mal hingucken." Das ganze Verfahren habe schon einen "sehr hohen Algorithmisierungsgrad". Bizer erläuterte gegenüber heise online: Automatisch auf Auffälligkeiten geprüft werde über das System vor allem die Plausibilität der Umsatzsteuererklärung.

Ein anderes Beispiel sei die Technik hinter Blitzern zur Geschwindigkeitskontrolle, führte der Insider aus: Ein Polizist stehe da in der Regel nur noch pro forma daneben, sonst laufe alles von der Messung über die Kennzeichenerkennung bis zum Briefversand und der Überwachung des Zahlungseingangs alles automatisch.

Bizer erinnerte auf dem "Summit" an einen Streit zwischen FDP und Grünen über eine zu starke Bürokratisierung wegen Anforderungen zur CO2-Messung. Die Liberalen hätten hier zusätzliche Meldepflichten für Firmen befürchtet. Doch so etwas sollte generell nicht über das Ausfüllen von Formularen laufen, erklärte der Verwaltungsmanager. Vielmehr gelte es, Sensoren anzubringen, die automatisiert den CO2-Ausstoß messen und online melden. Prinzipiell müssten diese Themen runtergezogen werden unter die Staatssekretärsebene, sie seien aber noch oberhalb der Beamten anzusiedeln. Denn oft fehle der Politik die Fokussierung auf die "wirkliche Rennbahn". Diese liege weniger in der Technik, sondern in der Organisations- und Prozessveränderung. Staatssekretär sollten weniger einzelne KI-Leuchttürme errichten und mehr "für eine einheitliche IT sorgen".

Andererseits bringe es auch nichts, darauf zu warten, dass Gremien wie der IT-Planungsrat eine einstimmige Lösung für alle vorgäben, warnte Harald Joos, Cloud-Beauftragter der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV). Die einen wollten Microsoft Teams, führte er an. Andere sagten: "Nur über meine Leiche." Die Politik und die Verwaltung sollten aber beides ermöglichen. "Wir werden auf US-Lösungen nicht verzichten können", meinte der frühere IT-Beauftragte der Bundesfinanzverwaltung. Schwarz-Weiß-Diskussionen brächten nichts. Das gelte auch bei der Frage des eigenen Rechenzentrums oder der Verlagerung in die Cloud: "Das hängt von der Leistungsfähigkeit ab."

"Wir müssen die Nachfrage bündeln", gab Joos als Parole aus. Nur so könnten deutsche und europäische Unternehmen im Cloud-Sektor aufholen. Für viele Firmen und Behörden "reichen die hiesigen Angebote". Die DRV probiere, "über große Ausschreibungen mehrere Anbieter reinzuholen" und einfachere Bezugswege für deutsche Lösungen zu schaffen. Klar sei: Ein Krankenhaus, das seinen Server noch in den eigenen Keller packe, "wird morgen gehackt".

Früher habe es geheißen: Von Microsoft sei "alles toll", berichtete Holger Lehmann, Sprecher des Informationstechnikzentrums ITZBund. Bei Cloud-Lösungen sei man oft auch bei Amazons AWS "gelandet". Mittlerweile werde der Anspruch der digitalen Souveränität höher gehalten. Dazu gekommen seien die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und das "Schrems-Urteil", sodass die Verwaltung nun oft "Compliance-Themen" mit einem "sehr engen Korsett" habe. Die Fachbehörden hätten Chatbots während der Corona-Pandemie entdeckt und beschäftigten sich aktuell "sehr stark mit KI". Doch dem stehe die "datenschutzrechtliche Zweckbindung" entgegen.

"Wir investieren Millionen, um Datentöpfe voneinander abzuschotten", erklärte Lehmann mit Blick auf die DSGVO. In der Wirtschaft werde indes gepredigt, möglichst alle verfügbare Bits & Bytes zusammenzuführen. "Da sind politische Weichenstellungen gefragt", hob der Insider hervor. Prinzipiell sei mit Instrumenten wie der Vorratsdatenspeicherung der "gläserne Bürger" möglich. Die Frage sei, ob dieser auch gewollt werde.

Dataport bietet laut Bizer KI-Anwendungen, "wo man viel trainieren muss", On-Premises an, also in eigener Verantwortung auf eigener oder gemieteter Hard- und Software. Das betreffe etwa ein großes Projekt zur Vertragserstellung, das eine "hohe Sensibilität" aufweise. So würden dabei Vertragsdaten, etwa der Polizei, verarbeitet. Anwendungen mit niedrigen Risiken kaufe Dataport ohnehin ein. Alles, was mit dem Zusammenfassen von Texten, dem Schreiben von Reden oder reinem Datenmanagement zu tun habe, laufe als "KI-as-a-Service". Zwischen Bereichen gebe es zwar Unschärfen, aber "die fechten wir halt durch".

Als "absoluter Fan von Datenschutz" outete sich Ionos-Chef Achim Weiß. "Aber es wird teilweise übertrieben", schränkte er ein. Europäische Clouds sind ihm zufolge "zu 99 Prozent alle in Ordnung", da ließe sich "die ganze Verwaltung draufpacken". Die Länder müssten sich aber auf einzelne Verfahren einigen, die Lösungsanbieter dann prioritär entwickeln könnten, inklusive KI. Stattdessen werde schon ein Haken dran gemacht, wenn der Bauantrag digital hochgeladen werden könne, "hinten" aber doch wieder ausgedruckt werde. Weiß empfahl, auf der oberen Ebene Anwendungen zu konsolidieren, unten jedoch "in der europäischen Welt" zu bleiben.

(akn)