Digitalisierung der Verwaltung: Bremen fordert eine Revolution

Bremen macht einen – für deutsche Verhältnisse – radikalen Vorschlag: Die Länder sollen dem Bund das Sagen über eine wichtige föderale IT-Plattform überlassen.

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Digitale Landkarte Deutschlands, auf die ein Mann mit dem Finger tippt.

(Bild: LongQuattro/Shutterstock.com)

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Am Mittwoch, 23. Oktober, trifft der IT-Planungsrat von Bund und Ländern sich zu einer Sondersitzung, die Sprengstoff birgt. Denn Bremen hat in die Sitzung mehrere Vorschläge eingebracht, die für deutsche Verhältnisse geradezu revolutionär sind: Die Bundesländer sollen dem Bund die Verantwortung für eine geplante Datenaustausch-Infrastruktur für die Behörden von Bund und Ländern überlassen.

Obendrein fordert Bremen, dass sämtliche Behörden sich innerhalb der nächsten zehn Jahre an diese Infrastruktur anschließen müssen. Alle im E-Government erfolgreichen Nationen hätten ein solches Konzept verfolgt, heißt es in einer Stellungnahme des Bremer Senators für Finanzen, die c’t vorliegt. Gemeint sind Länder wie zum Beispiel Estland, wo alle Behörden die zentrale Plattform X-Road nutzen.

Der Vorstoß aus Bremen ist für Deutschland jedoch durchaus radikal, weil hierzulande der IT-Planungsrat über föderale IT-Projekte und IT-Standards entscheidet. In dem Gremium sitzen alle 16 Bundesländer und der Bund. Aus Sicht vieler Experten sind langwierige Abläufe im IT-Planungsrat einer der Gründe dafür, dass Deutschland bei der Digitalisierung nur im Schneckentempo vorankommt.

Obendrein agieren bislang auch die diversen Verwaltungsbereiche – etwa Soziales, Gesundheit, Justiz oder Finanzen – in Sachen Digitalisierung häufig autonom und betreiben getrennte Infrastrukturen zum Beispiel für den Datenaustausch zwischen Behörden oder auch für die Kommunikation mit Bürgern.

Bremen befürchtet nun, dass auch das ehrgeizige und teure Mammutprojekt Registermodernisierung aufgrund solcher strukturellen Hindernisse zu langsam vom Fleck kommt. Bund und Länder verhandeln zurzeit über einen Staatsvertrag als rechtliche Grundlage für das sogenannte National Once Only Technical System (NOOTS). Dabei handelt es sich um die technische Basis der Registermodernisierung. Über das NOOTS sollen Behörden Daten untereinander austauschen, wenn Bürger das erlauben. Antragsteller sollen dadurch ihre Nachweise wie etwa Geburtsurkunden nicht mehr bei jeder Behörde aufs Neue einreichen müssen ("Once-Only-Prinzip").

Ein Entwurf für den Staatsvertrag schlägt unter anderem vor, dass eine Steuerungsgruppe aus sechs Bundesländern und dem Bund über die technische Ausgestaltung des NOOTS entscheidet und alle Länder und der Bund die Entwicklung gemeinsam finanzieren. Außerdem sollen sich nach aktueller Planung nur bestimmte Verwaltungsbereiche an das NOOTS anschließen – zum Beispiel wäre die Steuerverwaltung mit den Finanzämtern ausgenommen.

Bremen hält das für zu zaghaft und sieht zum Beispiel das Risiko, dass einzelne Länder kontroverse Entscheidungen der Steuerungsgruppe nicht mitfinanzieren. Stattdessen solle der Bund das NOOTS zentral finanzieren, entwickeln und betreiben, heißt es in einer Stellungnahme des Bremer Vertreters im IT-Planungsrat, die c’t vorliegt. Der Bund solle auch die Umstellungskosten der Länder für den Anschluss ihrer IT-Systeme an das NOOTS tragen. Im Gegenzug dürfe der Bund allein über die technische Ausgestaltung entscheiden.

Außerdem fordert Bremen, dass das NOOTS nicht auf bestimmte Verwaltungsbereiche beschränkt wird. Innerhalb eines Übergangszeitraums von maximal zehn Jahren sollten nach und nach alle Bereiche verpflichtet werden, sich an das NOOTS anzuschließen.

Mit seinem Vorstoß setzt Bremen diejenigen Bundesländer unter Druck, die sich vom Bund ungern in ihre IT-Systeme hereinreden lassen. Eher auf Wohlwollen stoßen könnte der Vorschlag bei wenig finanzstarken Ländern, die froh wären, wenn der Bund ihre Umstellungskosten für das NOOTS übernimmt. Aber auch beim Bund sind die Mittel für Digitalisierungsprojekte zurzeit knapp, sodass die Frage ist, ob das zuständige Innenministerium sich überhaupt bereiterklärt, die Verantwortung und die Kosten für das NOOTS zu übernehmen. Dem Vernehmen nach geht es um mittlere zweistellige Millionenbeträge.

Bund und Länder stehen bei den Verhandlungen über den NOOTS-Staatsvertrag auch zeitlich unter Druck. Bei der Ministerpräsidentenkonferenz im Juni versprachen der Bundeskanzler und die Ministerpräsidenten, den Vertrag am 12. Dezember zu beschließen. Das NOOTS soll laut der aktuellen Planung schon bis Ende 2025 live gehen.

(cwo)