"Dolly"-Klonforscher spricht sich für "Cybriden" aus

In Großbritannien starten erste Stammzellen-Experimente an tierischen Eizellen, in die menschliches DNA-Material eingefügt wird.

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In Großbritannien wird seit dem vergangenen Jahr eine heiße Debatte darüber geführt, ob es ethisch vertretbar ist, Eizellen von Tieren zu verwenden, um menschliche Embryonalstammzellen zu klonen, [ticker:97713 berichtet] das Technologiemagazin Technology Review in seiner Online-Ausgabe. Wissenschaftler, die sich für die umstrittene Methode aussprechen, sagen, dass diese Technik zu den ersten menschlichen Zellmodellen komplexer genetischer Krankheiten führen könnte – und eines Tages auch zu neuen, spektakulären Therapieformen. Kritiker sehen in dem Plan hingegen eine deutliche Überschreitung der Grenzen dessen, was an Forschung am menschlichen Leben möglich sein darf. In der britischen Presse wurde zudem immer wieder von der Horrorvorstellung von menschlich-tierischen "Kombinationswesen" berichtet.

Die Ausgangsbasis für die Diskussion ist schnell erklärt: Der Wissenschaft stehen nur wenige menschliche Eizellen zur Verfügung, an denen geforscht werden kann. Neben gesetzlichen Regelungen, die die Eizellgewinnung beschränken, ist die Prozedur an sich problematisch: Nur wenige Frauen sind bereit, sich dem langwierigen und möglicherweise schmerzhaften wie risikoreichen Eingriff auszusetzen.

Problemlos verfügbare Eizellen von Tieren könnten diese Lücke deshalb schließen. Statt die DNA einer menschlichen Zelle in eine menschliche Spenderinnen-Eizelle zu transferieren, würde sie dann beispielsweise in ein Kuh- oder Kaninchen-Ei eingebracht – und die Stammzellen schließlich aus den daraus resultierenden Embryonen entnommen. Die DNA dieser Zellen würde vor allem menschlich sein, nur ein sehr geringer Prozentsatz stammte von der Tier-DNA aus dem Ei – deshalb werden solche Zellen auch "Cybriden" und nicht "Hybriden" genannt, weil sie aus dem Zell-Cytoplasma von Tieren entstehen.

Nachdem die Cybrid-Forschung in Großbritannien zunächst verboten war, werden nun einzelne Experimente zugelassen. Ian Wilmut, der britische Biologe, der das berühmte Schafklonprojekt "Dolly" vorantrieb, will in den nächsten Monaten seinen eigenen Cybrid-Forschungsvorschlag einreichen. Der Direktor des "Scottish Center for Regenerative Medicine" an der University of Edinburgh sieht in so geklonten Stammzellen die Chance, die erbliche Rückenmarkserkrankung ALS besser zu verstehen und eines Tages eine Therapie zu finden.

Im [ticker:97713 Interview] mit Technology Review sprach sich Wilmut für einen offenen Umgang mit dieser Forschung aus. "Unsere Erfahrung in Großbritannien war, dass die meisten Leute kein Problem [damit] haben, wenn man ihnen im Detail erklärt, was man tun will." Noch sei allerdings gar nicht klar, ob die Idee umsetzbar sei. "Es gibt noch sehr viel Unsicherheit über die Normalität dieser Zellen, weil die Mitochondrien, also die Kraftwerke der Zellen, dann beispielsweise von einem Kaninchen stammen. Möglicherweise erzeugen sie dann nicht genügend Energie und brechen zusammen." In der Tat gelang die Gewinnung von Stammzellen aus Cybriden bislang nur einer chinesischen Forschergruppe – US-Wissenschaftler, die dies nachahmen wollten, scheiterten.

Das ganze Interview mit Klonforscher Wilmut in Technology Review online:

  • [ticker:97713 "Man muss den Leuten erklären, was wir da machen"]

(bsc)