Dominikanische Republik liefert EncroChat-Drahtzieher an Frankreich aus​

Die Staatsanwaltschaft Lille wirft dem Verdächtigen unter anderem die Bereitstellung oder Weitergabe eines kryptologischen Geräts ohne weitere Kontrolle vor.​

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EncroChat auf dem Handy

(Bild: Jeppe Gustafsson/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.

Die Dominikanische Republik hat den Weg freigemacht, damit die französische Justiz einem vermutlichen Anführer der Firma hinter verschlüsselten Kommunikationsdienst Encrochat den Prozess machen kann. Der Karibikstaat habe den am 2. Februar Angeklagten vorige Woche an Frankreich ausgeliefert, teilte die EU-Justizbehörde Eurojust am Mittwoch mit. Die nationalen Behörden hätten die betroffene Person im Mai 2022 in der Dominikanischen Republik festgenommen und zunächst unter Hausarrest gestellt. Gegen den Verdächtigen war bereits im Juli 2021 ein internationaler Haftbefehl erlassen worden. Den Auslieferungsantrag stellte die Staatsanwaltschaft der nordfranzösischen Stadt Lille.

Nach dem Knacken von Encrochat verhafteten Strafverfolgungsbehörden zwischen den Jahren 2020 und 2023 über 6500 Nutzer und Kontaktpersonen in ganz Europa. Federführend beim Aushebeln des Messaging-Systems waren 2019 französische und niederländische Fahnder, die aus dem Dienst große Datenmengen absaugten und an Europol übermittelten. Über diese Den Haager Drehscheibe gelangten Informationen aus mehreren Millionen Chat-Nachrichten über eine gemeinsame Ermittlungsgruppe an Polizeiämter in anderen EU-Staaten. Die Ordnungshüter beschlagnahmten bisher Vermögenswerte im Wert von mindestens 900 Millionen Euro. Die Ermittlungen dauern an und könnten durch den Prozess gegen den Drahtzieher weiter beflügelt werden.

In einem Update zu den Encrochat-Untersuchungen gab die Staatsanwaltschaft Lille bereits im Juni bekannt, dass potenzielle Verdächtige, die außerhalb der EU lebten, ausgeliefert werden könnten. Das französische Büro von Eurojust unterstützte die Behörde bei der Kontaktaufnahme mit den dominikanischen Zuständigen, um die formelle Auslieferung an Frankreich zu arrangieren.

Die Anklage wirft dem Inhaftierten unter anderem die "Bereitstellung oder Weitergabe eines kryptologischen Geräts ohne Integritätskontrolle oder vorherige Erklärung gegenüber den Behörden" vor. Zur weiteren Liste gehören die Beteiligung an einer kriminellen Verschwörung zur illegalen Einfuhr und zum Erwerb harter Drogen sowie der Beihilfe zu deren Vertrieb. Auch der Geldwäsche und des illegalen Waffenbesitzes ist er angeklagt.

Strafverteidiger aus ganz Europa meldeten Anfang 2022 zusammen mit der Organisation Fair Trials "massive rechtsstaatliche Bedenken und Sorgen" hinsichtlich der Datenerhebung und -verwertung an. Sie monieren: Beteiligte Justiz- und Strafverfolgungsbehörden wie das Bundeskriminalamt (BKA) und Europol missachteten die Rechte der Beschuldigten. Wenig später entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass die bei dem Hack abgeschöpften Daten in Deutschland verwertet werden dürfen, wenn es um die Aufklärung schwerer Straftaten geht. Eine Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof (EuGH) hält die Berliner Staatsanwaltschaft auch für befugt, Daten aus Encrochat aus Frankreich abzufragen. Der Berliner Rechtsanwalt Johannes Eisenberg sieht aber viele Fragen nach wie vor ungeklärt und hofft auf eine weitere Vorlage an den EuGH.

(mki)