Drei Jahre nach Fukushima steht Japan unter Innovationsdruck

Drei Jahre nach Beginn der Atomkatastrophe in Fukushima sind in Japan weiter sämtliche Atommeiler heruntergefahren. Der teure Import von Gas und Öl belastet die Wirtschaft – und erhöht den Druck auf den Staat zu Innovationen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 107 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Lars Nicolaysen
  • dpa
Inhaltsverzeichnis

Panasonics Smart City

In Fujisawa hat die Zukunft begonnen. In der westlich von Tokio gelegenen Stadt investiert Japans größter Elektronikkonzern Panasonic auf einem alten Fabrikgelände in ein neuartiges Öko-Bauprojekt für 1000 Haushalte. "Wir wollen den Kohlendioxidausstoß um 70 Prozent gegenüber einer Siedlung auf dem Niveau von 1990 senken", beschreibt Projektleiter Hiroyuki Morita das für japanische Verhältnisse ehrgeizige Ziel. Die Anlage soll zudem 30 Prozent weniger Wasser verbrauchen und 30 Prozent erneuerbare Energie nutzen. Die laut Panasonic gut isolierten Häuser haben Solaranlagen und Akkus. Hinzu kommt die Option einer Brennstoffzelle.

Weltweit sind Hunderte solcher "Smart Cities" im Bau oder der Erprobung. Aber in nahezu allen Fällen sind das Projekte auf Zeit. Panasonic rühmt sich, als erstes Privatunternehmen ein solches Öko-Projekt in dieser Größe und auf kommerzieller Basis umzusetzen. Dies verspricht vor allem im stark wachsenden Asien ein riesiger Zukunftsmarkt zu werden. Während sich Unternehmen wie Panasonic auf solche Projekte konzentrieren, kämpft die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt zugleich jedoch weiterhin mit Altlasten wie der Überalterung und seit 20 Jahren verschleppten Strukturreformen.

Dazu gehört auch eine umfassende Reform des Energiesektors, der nach wie vor auf Monopolisten wie Tepco, den Betreiber des vor inzwischen fast drei genau drei Jahren havarierten Atomkraftwerks Fukushima, und eine Rückkehr zum Atomstrom setzt. Hintergrund für diesen von der Regierung angestrebten Weg sind die in Folge der Katastrophe von Fukushima rasant gestiegenen Energiekosten.

Die Folgen des Tsunami, der auch zur AKW-Katastrophe in Fukushima führte (9 Bilder)

Zerstörte Ortschaft

Luftaufnahme aus Sukuiso, eine Woche nach dem Tsunami (Bild: NOAA/NGDC, Dylan McCord, U.S. Navy)

Nach der Havarie hatte das Land aus Sicherheits- und Wartungsgründen sämtliche Kernkraftwerke im Lande vom Netz genommen. Die Lichter gingen in der Hightech-Nation zwar deswegen nicht aus. Denn um die gewaltige Energielücke zu stopfen, importiert Japan zur Stromerzeugung seit Jahren riesige Mengen Gas, Öl und Kohle. "Die Kosten lasten jedoch schwer auf der Wirtschaft", erklärt Martin Schulz, Ökonom am Fujitsu Research Institute.

Als Folge der hohen Energiekosten rutschte Japans Handelsbilanz tief in die roten Zahlen. Deswegen müsse nun auch der Staat verstärkt an Zukunftsstrategien arbeiten und langfristig die Versorgung ohne die explosiven Kosten für Gas wie auch eine Abkehr von der in der Bevölkerung unbeliebten Atomenergie sicherstellen, erklärt Schulz. Denn selbst wenn Japan wie geplant teilweise zum Atomstrom zurückkehrt werde die Energielücke nicht nachhaltig geschlossen werden können.

Experten gehen davon aus, dass nicht viel mehr als 15 der bestehenden Atomkraftwerke in Japan die neuen, erheblich verschärften Sicherheitsbedingungen erfüllen werden. Nicht nur Unternehmen wie Panasonic, sondern auch die Regierung sind daher nach Meinung von Experten jetzt zunehmend unter Druck, nicht nur die überfällige Reform des Energiesektors in Angriff zu nehmen, sondern verstärkt auf Innovation und Zukunftsmärkte wie erneuerbare Energien zu setzen.

Einerseits hat Ministerpräsident Shinzo Abe, der Japan ungeachtet der horrenden Staatsverschuldung mit massiven Konjunkturpaketen und einer drastischen Lockerung der Geldpolitik aus der Krise holen will, dafür gesorgt, dass sich der Yen in Folge der Geldpolitik rasant abschwächte. Dadurch haben sich die Exporterlöse deutlich erhöht. Andererseits sorgt der schwache Yen aber dafür, dass die Importpreise für Energie drastisch nach oben geschossen sind.

Doch trotz der steigenden Energiekosten steht Japans Wirtschaft unter Abe bisher im internationalen Vergleich noch recht gut da. Das Fujitsu Research Institute geht in diesem Jahr von einem Wirtschaftswachstum von immerhin rund 1,5 Prozent aus. Die Gewinne der Unternehmen seien im Durchschnitt um 25 Prozent gestiegen, die der großen Exportkonzerne wie Toyota sogar um 40 Prozent.

Und auch die jahrelange Deflation mit stetig fallenden Preisen ist praktisch überwunden. Inzwischen weist Japan eine leichte Inflation auf, die sich bei etwa 1,3 Prozent eingependelt hat. Dies war bisher allerdings vor allem auf die höheren Energiekosten zurückzuführen und nicht so sehr auf eine höhere Nachfrage. Hinzu kommt, dass im Verlaufe dieses Jahres in Japan ein Phänomen einsetzen wird, das in Deutschland schon seit einigen Jahren für steigende Löhne sorgt: In Japan herrscht nämlich zunehmend Arbeitskräftemangel als Folge der Überalterung. Auch die höheren Löhne führen zwar zu höheren Preisen, in Zukunft aber, so wird gehofft, auch zu einer höheren Binnennachfrage.

Um ein wirklich nachhaltiges Wachstum zu erreichen, benötige Japan daher jetzt neben den einsetzenden positiven Trends noch viele innovative Projekte in Zukunftsindustrien wie eneuerbare Energien im Inland und potenzielle Exportschlager wie "smart cities". Doch hier, meint Schulz, habe Abe bislang weniger Erfolge vorzuweisen. Angesichts der weiter steigenden Staatsverschuldung könne von einem selbsttragenden Wachstumsmodell derzeit noch nicht die Rede sein. (mho)