Drohnen-Flüge über Atomkraftwerken verunsichern Frankreich
Mit Drohnen lässt sich einiges von oben erkunden - zum Beispiel Nuklearanlagen. Gleich eine ganze Serie verbotener Überflüge - auch über dem grenznahen Cattenom - verunsichert das Atomland Frankreich.
Nuklearanlagen in Frankreich haben neue Beobachter: Sie sind klein, wendig, kosten als Billigvariante nicht mal 100 Euro. Die ferngesteuerten Drohnen kommen meist nachts oder am frühen Morgen. Manche fliegen einzeln, es werden aber auch zur gleichen Zeit bei mehreren Atomkraftwerken Flugobjekte gesichtet. Sie verschwinden dann schneller, als es der Polizei recht sein kann. Denn bis heute gibt es keinen Hinweis auf Täter oder Urheber dieser beispiellosen Serie unbemannter Flüge in der Nähe französischer Atommeiler.
Fast 20 Fälle wurden in den vergangenen Wochen gezählt. Die Orte der strikt verbotenen Flüge lesen sich wie ein Stromprospekt der französischen Atomindustrie: Creys-Malville, Gravelines, Blayais, Bugey, Chooz oder Nogent-sur-Seine. Auch die nahe an der Grenze zu Deutschland stehenden umstrittenen Atomkraftwerke von Cattenom und Fessenheim sind dabei. Am Samstag wurde bekannt, dass die Atomanlage in Bugey östlich von Lyon zum vierten Mal überflogen wurde. Es scheint nur eine Frage der Zeit, bis alle 58 französischen Reaktoren an 19 Standorten Ziel solcher ferngesteuerten Flugobjekte gewesen sein werden.
Atomland
Durch den Ölschock der 1970er Jahre historisch bedingt setzt Frankreich seit Jahrzehnten fest auf Atomstrom. Im Land gibt es im Vergleich zu Deutschland wenig Debatten über die Form der Energie oder deren Verschwendung. Das Land ist nach den USA größter Atomstromproduzent weltweit. Im Vergleich zur starken deutschen Anti-AKW-Bewegung fristen Nukleargegner in Frankreich ein Schattendasein. In Paris wird schon als Beginn des Ausstiegs gewertet, wenn Präsident François Hollande bis Ende 2016 mit Fessenheim den ältesten Reaktor stilllegen will oder das neue Energiegesetz den Atomstromanteil bis 2025 von weltweit führenden 75 auf immer noch stattliche 50 Prozent senken soll.
Doch die ungeklärte Serie von Drohnenflügen über Nuklearanlagen bringt Verunsicherung. Ein Verdacht fiel schnell auf Umweltschützer, die häufig nach Schwachstellen der umstrittenen Meiler suchen. Zumindest Greenpeace wies umgehend eine Urheberschaft zurück und sprach im Gegenzug nach den jüngsten Vorfällen von "Unfähigkeit der Behörden, diese Überflüge von Drohnen zu stoppen".
Flugverbot
Kurzzeitige Hoffnung auf Fahndungserfolge keimte auf, als in der vergangenen Woche zwei Männer und eine Frau mit Drohnen nahe des Atomkraftwerkes Belleville-sur-Loire rund 150 Kilometer südlich von Paris festgenommen wurden. Es stellte sich aber schnell heraus, dass der Polizei dort Modellbaufreaks in die Hände gefallen waren. Zur Serie der Überflüge im ganzen Land gibt es keine Querverbindungen.
Gegen die beiden 24 und 31 Jahre alten Männer läuft dennoch ein Verfahren. Französische Ermittler kennen bei Atomkraftwerken keinen Spaß. Die Rechtslage ist eindeutig: Nuklearanlagen sind Sperrbezirke. Im Umkreis von fünf Kilometern und bis zu einer Höhe von 1000 Metern darf nichts fliegen, was nicht zur natürlichen Fauna gehört. Es drohen bis zu ein Jahr Gefängnis und 75.000 Euro Strafe.
Jean-Claude Delalonde, Präsident der mit Aufklärung und Katastrophenschutz rund um Atomanlagen befassten Kommunalorganisation ANCCLI, beklagt mangelnde Informationen seitens der Behörden über die Vorgänge: "Wir wären gern beruhigt, um dann die Bevölkerung beruhigen zu können."
Glaubwürdigkeit
Nun will sich auch der wissenschaftliche Beratungsausschuss des Parlaments OPECST mit den Vorgängen befassen. Der sozialistische Vorsitzende Jean-Yves Le Déaut sieht eine "gefährliche Mischung". Er fürchtet durch die Überflüge um die Glaubwürdigkeit "eines zuverlässigen Kontrollsystems für nukleare Sicherheit und Strahlenschutz". Die Vorfälle dürften das Thema nicht trivialisieren: "Atomkraft ist kein Videospiel." Ende November sollen in einer Anhörung mögliche Gefahren solcher Überflüge geklärt werden.
Nicht nur über Frankreichs Atomkraftwerken sorgen Drohnen für Ärger: Im Oktober trug ein ferngelenktes Flugobjekt während eines Spiels zwischen Serbien und Albanien eine Fahne mit einer Abbildung Großalbaniens ins Fußballstadion von Belgrad. Es folgten Tumulte, Spielabbruch und viel Streit
zwischen allen Beteiligten.
(jk)