Duell der Schachgiganten: Hydra rupft Shredder

Das Schachprogramm Hydra gewann die ersten zwei Partien, weil Shredders Eröffnungsbibliothek zu aggressive Varianten enthielt.

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Von
  • Lars Bremer

Im Wettkampf der elektronischen Schachgiganten führt zur Halbzeit das Programm Hydra aus den Vereinigten Arabischen Emiraten gegen den vielfachen Computer-Weltmeister Shredder mit drei zu eins. Hydra gewann die ersten zwei Partien, weil Shredders Eröffnungsbibliothek zu aggressive Varianten enthielt. In der ersten Partie opferte Shredder einen Springer, in der zweiten einen Bauern. Beide Opfer erwiesen sich aber als Fehler. Hydra konnte mit exaktem Spiel alle Angriffsversuche abwehren und seinen Mehrbesitz zum vollen Punktgewinn nutzen. In den beiden folgenden Partien, die nach spannendem Verlauf remis endeten, spielte Shredder vorsichtigere Eröffnungen.

Die Programme agieren in der Eröffung nicht völlig autonom, weil ihre Schöpfer vor der Partie festlegen, welche Eröffnungsvarianten die Software spielen darf und welche nicht. Während der Partie können sie dann aber nicht mehr eingreifen. Typisch sind riesige Eröffnungsbibliotheken mit mehreren Millionen Stellungen, die automatisch aus allen bekannten Großmeister-Partien erzeugt werden, also letztlich die komplette Eröffnungstheorie der Menschen enthalten. Dann nimmt sich ein Experte das Buch vor und überprüft etliche Varianten, ob das Programm die entstehende Stellung versteht. Angesichts der großen Zahl möglicher Züge kommt es aber öfter vor, dass ein Schachprogramm aus der Eröffnungsbibliothek heraus einen schwachen Zug spielt, weil in der zu Grunde liegenden Datenbank einige Großmeister mit eben diesem schwachen Zug erfolgreich waren.

Der Programmierer von Hydra, Dr. Chrilly Donninger, hält diesen Effekt für so schädlich, dass seine Schöpfung nur mit einem sehr kurzen Buch antritt -- wenige Varianten sind tiefer als zehn Züge in der Eröffnungsbibliothek gespeichert, während Shredder etwa in den ersten beiden Partien jeweils bis zu seinem 16. Zug aus dem Buch spielte. In beiden Partien hat sich das Konzept bewährt, eher dem Programm zu vertrauen statt der menschlichen Eröffnungstheorie, Hydra gewann -- allerdings mit beachtlicher Hardware-Ausstattung: ein 16-Prozessor-Cluster unter RedHat-Linux, bestehend aus acht Dual-Xeons mit 3 GHz und 2 GByte shared memory, in denen je zwei, insgesamt also 16 FPGA-Karten ADM-XRC-I von Alpha-Data stecken. "Die Karte mit dem Virtex-I-1000e-Chip ist eigentlich der 486er unter den FPGA-Karten. Aber die neue Virtex-Pro ist schon bestellt. Ebenso ein 32-Prozessor-Cluster. Da sind wir dann ungefähr fünfmal so schnell wie jetzt und werden ein wirklich schreckliches Monster.", sagte Donninger gegenüber heise online.

Shredder als reine Software läuft dagegen unter Windows Server 2003 Enterprise auf einem Opteron-Vierfachsystem mit 2,2 GHz der Firma Transtec, die traditionell für Shredder die Turniermaschinen bereitstellt. Programmautor Stefan Meyer-Kahlen hält den Rückstand nicht für allzu deprimierend: "Bisher war der Verlauf stark vom Shredderbuch geprägt, richtig gerechnet wurde eigentlich nur in der dritten Partie. Chrillys neues Buchkonzept ist bisher noch nicht widerlegt worden. Ich hoffe, dass Shredder mal zeigen kann, wie gut er rechnen kann, Chrilly hofft für Hydra dasselbe."

Die letzten vier Partien finden am 20., 21., 23. und 24. August jeweils um 16 Uhr (18 Uhr Ortszeit Abu Dhabi) statt. Wer live zuschauen will, kann das auf Playchess tun. Windows-Anwender müssen sich einen kostenlosen Client herunterladen und installieren, Benutzer anderer Betriebssysteme schauen in die Röhre, denn eine andere Übertragung, etwa per Java-Applet, bietet der Veranstalter nicht an. Auch die gespielten Partien gibt es auf der offiziellen Hydra-Seite nicht zum Download; wer sich dafür interessiert, findet sie (sogar fachkundig kommentiert) in Computerschach-Webforen. (Lars Bremer) / (anw)