EA-Chef: "Wir langweilen die Leute zu Tode"

Der neue Mann an der Spitze des Publishers Electronic Arts strukturiert das Unternehmen neu und verordnet dem Unternehmen einen Perspektivwechsel. Die meisten Spiele, sagt John Riccitiello, seien zu schwer.

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"Unsere Games sind zu schwer zu spielen". Mit dieser gegenüber der New York Times geäußerten Einsicht dürfte John Riccitiello, neuer Chef des weltgrößten Spiele-Publishers Electronic Arts (EA), auf der am Mittwoch beginnenden Fachmesse der Branche (E3) in Santa Monica für Gesprächsstoff sorgen. Dabei spricht der Manager, der nach einem Abstecher in die Investmentbranche im April zu EA zurückgekehrt war, nur aus, was der Branche spätestens seit dem überraschenden Erfolg von Nintendos Wii klar geworden ist: Die Spieleindustrie versorgt eine Kernzielgruppe pubertierender Jungs mit immer neuen (und immer komplexeren) Kriegs- oder Sportspielen und hat dabei aus den Augen verloren, dass es noch viele andere mögliche Kunden gibt, die auch unterhalten werden wollen.

Während EA-Manager das neueste Fifa Soccer oder das letzte Expansion-Pack für Medal of Honor an ihre jugendliche Zielgruppe ausliefern, schielen sie ein bisschen neidisch auf die Konkurrenz, wo Mutti und Opa gerade eine Runde Bowling an der Wii spielen – und das trotz (oder vielleicht gerade wegen) nicht wirklich konkurrenzfähiger Grafik. Sie werden also umdenken müssen. Ihr neuer Chef steht für einen Perspektivwechsel bei EA und hat dem Unternehmen eine neue Struktur verpasst. Riccitiello hat erkannt, dass die bisherige Zielgruppe der Branche – die "Teenage Boys mit dem schnellen Daumen" – nicht mehr den Großteil des Marktes ausmachen, sondern sich zu einer Nische entwickeln. EA verwendet 80 bis 90 Prozent seiner Ressourcen darauf, diese Nische mit den Fortsetzungen populärer Titel zu bedienen. "Wir langweilen die Leute zu Tode und machen Spiele, die immer schwieriger zu spielen sind", beschreibt Riccitiello im Wall Street Journal den kreativen Stillstand der Branche.

Das soll anders werden mit familienfreundlicheren Spielen. Angespornt von Erfolgen wie "Die Sims", das bereits für etwa 13 Prozent des Umsatzes von EA sorgt, und der Wii will der Publisher künftig neue Territorien erschließen. Noch im Laufe des Jahres soll "Rock Band" erscheinen, das dem Trend zu interaktiven Musikspielen folgt. Auf dem Handy ist EA seit der Übernahme von Jamdat schon präsent. Das Stichwort heißt "Casual Gaming": Kurzweilige und einfach zu beherrschende Spiele, die man zwischendurch auf Handy, Konsole oder Computer spielt – und die nicht 50 Euro kosten. (vbr)