ESA: Wie KI-Steuerungen von Race-Drohnen für Raumschiffe verwendet werden können
Autonome Race-Drohnen können mit hoher Geschwindigkeit fliegen, ohne zu kollidieren. Ihre KI-Steuerung wollen Forscher für die Raumschiff-Steuerung nutzen.
Die europäische Weltraumagentur ESA hat Interesse an dem, was im "Cyber-Zoo" der Technischen Universität Delft (TU Delft) passiert. Insbesondere die Steuerung von Race-Drohnen auf Basis Künstlicher Intelligenz (KI) hat es der ESA angetan. Die Algorithmen der Steuerungssysteme, die dort zum Einsatz kommen, könnten zukünftig in ähnlicher Form auch in Raumschiffen verwendet werden, um Raumfahrzeugmanöver deutlich effizienter durchzuführen als bisher.
Auf einem 10 m × 10 m großen Testparcours des "Cyber-Zoo" der TU Delft, das die Fakultät für Luft- und Raumfahrttechnik betreibt, ist einiges los. Dort flitzen von Menschen gesteuerte Race-Drohnen – sogenannte Micro-Air-Vehicle-Quadcopter – und autonome Versionen gemeinsam durch die Luft. Die autonomen Drohnen sind darauf trainiert, in möglichst kurzer Zeit einen Parcours zu absolvieren. Dabei müssen sie ständig ihre eigene Position ermitteln, um daraus mithilfe einer KI eine Flugbahn abzuleiten, die zu keinen Kollisionen führt.
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Das Advanced Concept Team (ACT) der ESA hat zusammen mit dem Micro Air Vehicle Laboratory (MAVLab) der TU Delft zusammengearbeitet und untersucht, wie derartige autonome Steuerungssysteme bei allen möglichen Arten anspruchsvoller Raumschiffmanöver verwendet werden können. Zusammengefasst haben sie die Ergebnisse in der Studie "Optimality principles in spacecraft neural guidance and control", die in Science Robotics erschienen ist. Im Visier hat die ESA dabei insbesondere die Flugsteuerung von Raumschiffen bei interplanetaren Transfers, Landungen auf der Oberfläche von Planeten und Andockvorgängen.
"Im Weltraum muss jede Ressource an Bord so effizient wie möglich genutzt werden – einschließlich Treibstoff, verfügbarer Energie, Rechenressourcen und oft auch Zeit. Ein solcher Ansatz mit neuronalen Netzen könnte einen optimalen Betrieb an Bord ermöglichen und die Autonomie und Robustheit der Mission erhöhen. Aber wir brauchten eine Möglichkeit, es in der realen Welt zu testen, bevor wir tatsächliche Weltraummissionen planen", sagt Dario Izzo, wissenschaftlicher Koordinator des ACT.
Als geeignete Testumgebung haben die Wissenschaftler Race-Drohnen ausgemacht, um auf ihnen neuronale Steuerungs-Architekturen in der Realität ausprobieren zu können.
Optimale Raumschiff-Flugbahn mit neuronalen Netzen bestimmen
Normalerweise werden Raumfahrzeugmanöver detailliert am Boden geplant, dann zum Raumfahrzeug hochgeladen und darauf ausgeführt. Die Missionsführung findet dabei vom Boden aus statt, die Kontrolle übernimmt das Raumfahrzeug. Der Weltraum sei jedoch "von Natur aus unvorhersehbar". Es gebe viele verschiedene Faktoren, die das geplante Manöver beeinflussen können wie etwa Schwerkraftschwankungen, atmosphärische Turbulenzen oder die Beschaffenheit des Planetenkörpers. Dann helfen die Modellierungen, die am Boden für die Planung des Manövers herangezogen wurden, nicht aus. Das Raumfahrzeug muss beim Abkommen von der geplanten Bahn ressourcenintensive Neuberechnungen durchführen, um wieder auf Kurs zu kommen.
Anstatt einen einzigen vorberechneten Kurs einzuhalten, wollen die Wissenschaftler das Raumfahrzeug seine optimale Flugbahn ausgehend von der aktuellen Position immer wieder neu selbst bestimmen lassen – ähnlich, wie es die autonomen Race-Drohnen tun. Dazu nutzen die Forscher Guidance & Control Networks, kurz G&CNets, zur Steuerung auf neuronaler Basis. Diese Art der Raumschiffsteuerung sei wesentlich effizienter, sagen die Wissenschaftler. Alle Berechnungen finden dann an Bord des Raumschiffs statt.
"Wenn es um Rennen geht, ist die wichtigste knappe Ressource natürlich die Zeit, aber wir können diese als Ersatz für andere Variablen nutzen, die bei einer Weltraummission möglicherweise Vorrang haben, wie zum Beispiel die Treibstoffmasse. Satelliten-CPUs sind ziemlich eingeschränkt, aber unsere G&CNets sind erstaunlich bescheiden, sie können vielleicht bis zu 30.000 Parameter im Speicher ablegen, was mit nur wenigen hundert Kilobytes und insgesamt weniger als 360 Neuronen möglich ist."
Das G&CNet sollte in der Lage sein, die Aktuatoren, also die Triebwerke des Raumschiffs und bei den Drohnen die Propeller, direkt anzusteuern. Das sei eine große Herausforderung, da zwischen den Aktuatoren der Simulation und den echten Aktuatoren eine große Diskrepanz herrsche.
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"Wir gehen damit um, indem wir die Realitätslücke während des Fluges identifizieren und dem neuronalen Netz beibringen, wie es damit umzugehen hat. Wenn zum Beispiel die Propeller weniger Schub geben als erwartet, kann die Drohne dies über ihre Beschleunigungsmesser feststellen. Das neuronale Netz wird dann die Befehle neu generieren, um dem neuen optimalen Weg zu folgen."
Die Forscher wollen nun die Race-Drohnen dazu nutzen, den G&CNet-Ansatz auszuprobieren. Erst wenn hier ein solides System aufgebaut und validiert werden kann, soll ein Demonstrator für eine Weltraummission geplant werden.
(olb)