EU-Bank bewahrt Suchmaschine Qwant vor der Pleite

2015 hat Qwant 25 Millionen Euro EU-Kredit bekommen. 15 Millionen wären fällig gewesen. Qwant-Gründer Leandri verkauft inzwischen ganz andere Dienste.

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Künstlerisch verfremdeter Screenshot der Eingabemaske Qwants

(Bild: Qwant/Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 4 Min.

Die französische Suchmaschine Qwant stand dieses Jahr knapp vor der Pleite. Kredittranchen zu fünf und zehn Millionen Euro wurden fällig. Geld, welches das stets defizitäre Unternehmen nicht hat. Doch die Europäische Investitionsbank (EIB) gewährte eine Umschuldung und rettete dadurch Qwant. In der Folge konnte das Unternehmen seinen Jahresabschluss für 2021 vorlegen, wenn auch um Monate verspätet.

Qwant sollte Europas datenschutzfreundliche Alternative zu Googles Suchmaschine sein, kommt aber nicht auf die Beine. Gut möglich, dass das Projekt seit jeher unterfinanziert ist. Die Europäische Investitionsbank steht im Eigentum der EU-Mitgliedsstaaten, nicht der EU. Im Rahmen des EU-Programms für Forschung und Innovation namens Horizont 2020 hat die Bank gemeinsam mit der EU-Kommission 2014 ein Finanzierungsprogramm namens InnovFin aufgelegt. Daraus erhielt Qwant 2015 25 Millionen Euro Kredit. 15 Millionen davon, plus endfälliger Zinsen, wären dieses Jahr zurückzuzahlen gewesen.

Doch Qwant hat seit Gründung 2011 nur Verluste geschrieben. Der Schuldenberg ist laut französischen Medienberichten hoch – je nach Quelle ist von 47 bis 80 Millionen Euro die Rede. Vergangenes Jahr hielt ein Huawei-Kredit die französische Suchmaschine Qwant über Wasser. Huawei gewährte acht Millionen Euro zu 4,5 Prozent Zinsen. Tilgt Qwant die Anleihe nicht, könnten die Chinesen ihre Anleihe übernächstes Jahr in Qwant-Aktien tauschen und dann 5 bis 7,5 Prozent des Unternehmens besitzen.

Dann wird auch der erste Teil des dieses Jahr umgeschuldeten EIB-Kredits fällig. Der Rest folgt bis 2029, wie Qwant heise online bestätigt hat. Die Umschuldung sei "Ausweis des Vertrauens (der EIB) in die finanzielle Situation Qwants", leistet die PR-Agentur der Firma ganze Arbeit.

Im Unterschied zu früheren Jahren hat Qwant für 2021 trotz gegenteiliger Zusagen gegenüber heise online kein Nettoergebnis mehr veröffentlicht, nur den Bruttoumsatz. Dieser ist im Jahresabstand um 39 Prozent auf 11,9 Millionen Euro gestiegen. Inzwischen haben französische Medien auch den Nettoverlust eruiert: 9,1 Millionen Euro, immerhin 28 Prozent weniger als 2020. Dass der Umsatz erstmals die Verluste übertrifft, mag für Kreditgeber und Investoren schwacher Trost sein.

In die Schlagzeilen hat Qwant es zuletzt vor allem dank seines Mitgründers Éric Leandri geschafft, der seine Managementfunktion 2020 aufgeben musste. Diesen Juli wurde der Qwant-Gründer wegen Ausspähens von E-Mails verurteilt, was inzwischen rechtskräftig geworden ist. Leandri hat Ende 2019 das E-Mail-Konto des schweizerischen Qwant-Mitgründers Jean-Manuel Rozan ausspionieren lassen.

Inzwischen hat Leandri komplett die Seiten gewechselt, wie Politico aufgedeckt hat: Der Korse hat eine Firma namens Altrnativ gegründet, die IT-Sicherheitsprodukte anbietet. Da gibt es ein VPN, einen Dienst zur Überwachung von See-, Flug- und Weltraumverkehr, sowie das Angebot altrnativ.protect, das Bemerkenswertes bietet: Due Diligence zur Korruptionsbekämpfung, Überwachung Sozialer Netzwerke sowie "digital threat exposure audits". Ähnliche Formulierungen kennt man von Firmen, die Angriffswerkzeuge feilbieten. Gegenüber Politico hat Leandri sein Angebot als Profilbildung aus öffentlich verfügbaren Informationen (Open Source Intelligence) beschrieben.

In Werbepräsentation für afrikanische Diktaturen kam Altrnativ gemeinsam mit dem polnischen Militärausrüster MEX vor. Feilgeboten wurde dort laut Politico beispielweise das Hacken fremder Smartphones, militärische Flugdrohnen, Abhören und Überwachen von Handys aus bis zu zehn Kilometern Entfernung sowie Massenüberwachung des Internet. Leandri gibt an, Dienste seiner Firma seien Teil eines größeren Pakets gewesen, mit diesen Angriffen auf die Privatsphäre habe Altrnativ nichts zu tun – obwohl Leandri als Ansprechpartner für den Gesamtvertrag genannt wurde. Politico gehört dem Axel-Springer-Verlag, der selbst an Qwant beteiligt ist.

Seine Open Source Intelligence hat Altrnativ bereits mehreren französischen Konzernen verkaufen können: Ausgewertet wurden beispielsweise Jobbewerber, Mitarbeiter, Gewerkschafter, Politiker, sowie Kritiker des derzeit reichsten Mannes der Welt, Bernard Arnault, Gründer der Luxusmarken-Firma LVMH (Moët Hennessy Louis Vuitton). Auch das Umfeld von Zielpersonen hat Altrnativ absichtlich ins Visier genommen.

(ds)