EU-Kommission: Atomkraft ist unter bestimmten Bedingungen nachhaltig

Die EU-Kommission hat zwei delegierte Rechtsakte vorgelegt, in denen geregelt wird, aus welchen Stromquellen "grüner Wasserstoff" stammen darf.

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(Bild: petrmalinak/Shutterstock.com)

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Die EU-Kommission hat Vorschriften vorgelegt, in denen die Kriterien festgelegt sind, welche Stromquellen für nachhaltig erzeugten (oder "grünen") Wasserstoff oder andere Brenn- oder Kraftstoffe wie E-Fuels herangezogen werden dürfen. Mit ihren nun vorgelegten zwei delegierten Rechtsakten will die Kommission sicherstellen, dass diese Brenn- oder Kraftstoffe nur aus "zusätzlichem" Strom aus erneuerbaren Quellen erzeugt werden können, der gleichzeitig und im selben Gebiet produziert wird wie diese selbst.

Wasserstoff, der mit Hilfe von Strom aus Atomkraftwerken erzeugt wird, gilt laut den vorgeschlagenen Vorschriften nicht als erneuerbar. Die delegierten Rechtsakte basieren nämlich auf der Erneuerbare-Energien-Richtlinie, in der die Atomenergie nicht unter den erneuerbaren Energiequellen aufgeführt ist, erläutert die EU-Kommission. [Update: Allerdings könne "grüner" Wasserstoff unter bestimmten Bedingungen aus Atomstrom hergestellt werden. Wenn Strom für die nötige Elektrolyse aus einem Netz mit hohem Atomenergie-Anteil und damit niedrigen CO₂-Emissionen genutzt wird, könne dieser so etikettiert werden.] Ihre nun vorgelegten delegierten Rechtsakte sollen EU-Mittel hin zu erneuerbarem Wasserstoff lenken helfen und Orientierung für nationale Beihilferegelungen geben.

In den delegierten Rechtsakten geht es auch um Renewable Fuels of Non Biological Origin (RFNBO), um flüssige oder gasförmige erneuerbare Brenn- beziehungsweise Kraftstoffe nicht biogenen Ursprungs. Erneuerbarer Wasserstoff, der aus Biomasse hergestellt wird, fällt unter die Definition von "Biomasse-Brennstoffen" der Erneuerbare-Energien-Richtlinie. Solche Brennstoffe können bereits auf die Ziele Europas angerechnet werden, sofern sie Nachhaltigkeitsstandards erfüllen.

Mit "grünem Wasserstoff" erzeugte Brenn- oder Kraftstoffe wie Ammoniak, Methanol oder E-Fuels müssen in ihrem gesamten Lebenszyklus mindestens 70 Prozent Treibhausgas dessen einsparen, was durch die ersetzen fossilen Brenn- oder Kraftstoffe entstanden wäre, schreibt die EU-Kommission. Bislang gilt, dass RFNBO nur dann zu den europäischen Zielen im Bereich der erneuerbaren Energien beitragen, wenn sie im Verkehrssektor verwendet werden. Die Kommission hat für die geänderte Erneuerbare-Energien-Richtlinie vom Juli 2021 vorgeschlagen, dass RFNBO unabhängig vom Sektor auf die Ziele Europas angerechnet werden sollten.

Elektrolyseure müssen laut den Vorschlägen der EU-Kommission zur Erzeugung von Wasserstoff an neue Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen angeschlossen werden. So soll die Erzeugung von erneuerbarem Wasserstoff Anreize dafür schaffen, die Menge der im Netz verfügbaren erneuerbaren Energie verglichen zur derzeitigen Menge zu erhöhen.

Wasserstofferzeugung soll also zur Dekarbonisierung beitragen und den Ausbau der Elektrifizierung ergänzen. Gleichzeitig soll die Stromerzeugung nicht unter Druck geraten. "Solange das Stromversorgungssystem nicht bereits weitgehend dekarbonisiert ist, ist es von entscheidender Bedeutung, den Strombedarf für die Wasserstofferzeugung durch zusätzlichen Strom aus erneuerbaren Quellen zu decken", erläutert die EU-Kommission.

Der Strombedarf für die Wasserstofferzeugung sei zwar zunächst zu vernachlässigen, allerdings vermutet die EU-Kommission, dass es bis 2030 wesentlich mehr große Elektrolyseure geben wird als heute. Ihren Schätzungen zufolge werden etwa 500 TWh Strom aus erneuerbaren Quellen benötigt, um das mit dem REPowerEU-Plan für 2030 gesetzte Ziel einer Erzeugung von 10 Millionen Tonnen RFNBOs zu erreichen. Dieses Ziel entspreche 14 Prozent des gesamten Stromverbrauchs in der EU.

Die Vorschläge werden nun dem Europäischen Parlament und dem Rat vorgelegt. Beide haben zwei Monate Zeit, um sie anzunehmen oder abzulehnen. Wie bei delegierten Rechtsakten der Kommission üblich, können sie daran nichts ändern. Parlament und Rat können beantragen, den Prüfungszeitraum um zwei weitere Monate zu verlängern.

Frankreich tritt dafür ein, aus Atomkraft erzeugten Wasserstoff als "grün" einzustufen. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete, acht weitere Länder hätten sich Frankreich angeschlossen, das sich in diesem Sinne in einem Schreiben an die EU-Kommission gewandt habe. Deutschland sei so wie Österreich und Dänemark gegen Frankreichs Vorstoß. Der Industrieausschuss des EU-Parlaments hat laut einem Bericht des Portals Euractiv vorige Woche eine Definition für kohlenstoffarmen Wasserstoff angenommen, der Atomkraft einschließt. Befürworter von E-Fuels hatten auf die delegierten Rechtsakte gewartet, damit ein pragmatischer Vorschlag vorliegt, auf dessen Basis synthetische Kraftstoffe in den Markthochlauf gehen könnten.

(anw)