EU-Kommission: Umsatzsteuermeldung in Echtzeit, Plattformen besser erfassen

Die EU-Kommission will das Mehrwertsteuersystem etwa mit der E-Rechnungsstellung digitalisieren und Steuerhinterziehung mit Kryptowährungen erschweren.

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(Bild: Panchenko Vladimir/Shutterstock.com)

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Die EU-Kommission hat am Donnerstag einen Plan vorgelegt, wie das Mehrwertsteuersystem umfassend reformiert und Steuerhinterziehung durch versteckte Anlagen in Bitcoin, Ethereum & Co. bekämpft werden soll. Mit dem Gesetzespaket soll eine digitale Umsatzsteuermeldung in Echtzeit auf Basis der elektronischen Rechnungsstellung eingeführt werden. Dazu kommen aktualisierte Mehrwertsteuervorschriften für digitale Plattformen mit den Schwerpunkten Personenbeförderung und Kurzzeitvermietung von Unterkünften, also etwa für Uber, Lyft und Airbnb.

"EU-Unternehmen werden elektronische Rechnungen für grenzüberschreitende Geschäftsvorgänge ausstellen und ihrer Steuerverwaltung automatisch eine Teilmenge der Daten aus diesen Rechnungen nach einem europäischen Standard melden", erläutert die Kommission einen Kernbestandteil des Vorhabens. "Sie werden nicht mehr wie bisher monatlich in Form von 'Zusammenfassenden Meldungen' Bericht erstatten müssen, da diese Informationen über ihre elektronischen Rechnungen zur Verfügung gestellt werden."

Um die gemeldeten Daten optimal nutzen zu können, sollen die nationalen Steuerverwaltungen sie über ein neues IT-System austauschen, das auch gemeinsame Analysen ermöglicht. So will die Brüsseler Regierungsinstitution sicherstellen, dass die Behörden der Mitgliedstaaten "in Echtzeit über die Umsätze informiert sind". Dies ermögliche es ihnen, Probleme und Fälle von Umsatzsteuerbetrug sofort zu erkennen und bekämpfen zu können.

Durch die Umstellung auf E-Rechnungen werde die Wirtschaft in der EU in der nächsten Dekade zudem durchschnittlich um 4,1 Milliarden Euro pro Jahr entlastet, wirbt die Kommission für die Initiative. Firmen könnten außerdem ihre Geschäfte weiter automatisieren und Lieferketten optimieren.

Den EU-Ländern soll es ferner möglich werden, die elektronische Rechnungsstellung auch für inländische Transaktionen zwischen Unternehmen verbindlich einzuführen. Voraussetzung dafür sei, dass den Firmen ein gemeinsamer europäischer Standard zur Verfügung gestellt werde. Derzeit müssten die Mitgliedstaaten dafür eine Ausnahmeregelung von der geltenden Mehrwertsteuer-Richtlinie beantragen.

Für EU-Länder, die bereits ein inländisches System für E-Rechnungen haben, soll eine Frist bis 2028 gelten, um ihre Vorgaben an den neuen EU-weiten Meldestandard anzugleichen. Deutschland und Frankreich einigten sich hier bereits vor Kurzem auf ZUGFeRD ("Zentraler User Guide des Forums elektronische Rechnung Deutschland").

Die Plattformökonomie hat in den vergangenen Jahren einen Boom erlebt, das ist der Kommission nicht entgangen. Nach den derzeitigen Mehrwertsteuervorschriften seien die Erbringer der Dienstleistungen, also etwa der Kurzzeitvermieter einer Wohnung, verpflichtet, die Umsatzsteuer zu erheben und ans Finanzamt abzuführen. Dies erfolge aber – unwissentlich oder absichtlich – oft nicht. Traditionelle Dienstleister wie Taxi-Betriebe oder Hotels gerieten so ins Hintertreffen.

Die neuen Vorschriften sehen vor, dass Vermittlungsplattformen im Bereich der kurzfristigen Unterbringung und der Personenbeförderung die Mehrwertsteuer auf die über sie abgewickelten Verträge erheben und abführen müssen, wenn der eigentliche Anbieter dies nicht getan hat. Schätzungen zufolge dürfte allein diese Änderung den Mitgliedstaaten in den nächsten zehn Jahren zusätzliche Steuereinnahmen in Höhe von bis zu 6,6 Milliarden Euro pro Jahr bescheren. Ähnliche Bestimmungen gebe es etwa bereits in Kanada.

Auch für Airbnb, Uber & Co. habe dies Vorteile, betont die Kommission. Sie könnten durch die Vereinheitlichung der Informationen, die sie den Behörden zur Verfügung stellen müssen, insgesamt 48 Millionen Euro pro Jahr einsparen. Schließlich werde endgültig klargestellt, dass die kurzfristige Vermietung von Unterkünften in der EU nicht von der Mehrwertsteuer befreit ist.

Die Exekutivinstanz zielt mit dem Paket auch darauf ab, Steuerhinterziehung in Milliardenhöhe durch die Anlage von Kryptowährungen in Drittstaaten zu verhindern. Die vermeintliche Anonymität von Bitcoin & Co. gehe damit einher, dass viele Nutzer solcher Vermögenswerte unter dem Radar der nationalen Steuerbehörden blieben, monierte Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni bei der Präsentation des Vorhabens. Dabei hätten sie in den vergangenen Jahren erhebliche Gewinne erzielt.

"Das ist nicht akzeptabel", unterstrich Gentiloni. Wie die EU die Maßnahmen gegenüber Unternehmen außerhalb der Gemeinschaft durchsetzen wolle, konnte der Italiener noch nicht im Detail sagen: "Wir werden daran arbeiten", versicherte er nur. Entscheidend sei, dass in der EU ansässige Personen auch dann von dem neuen Rechtsrahmen betroffen seien, wenn sie Anbieter von Kryptowerten aus Drittstaaten nutzten. Andere neue europäische Gesetze und Entwürfe sehen bereits vor, dass künftig bei der Übertragung von Bitcoin & Co. Auftraggeber und Begünstigter identifiziert werden müssen.

Der Vorschlag stützt sich auf das bereits bestehende Modell der "einzigen Anlaufstelle für die Mehrwertsteuer" für Online-Händler (One-Stop-Shop). Unternehmen mit Kunden in anderen Mitgliedstaaten sollen sich nun künftig für die gesamte EU nur einmal für die Umsatzsteuerentrichtung registrieren müssen. Ziel ist es auch, dass sie ihre Mehrwertsteuerpflichten über ein einziges Online-Portal in nur einer Sprache ihrer Wahl erfüllen. Zugleich soll die Nutzung des One-Stop-Shops für die Einfuhr durch bestimmte Plattformen wie Amazon obligatorisch werden, die Verkäufe an Endverbraucher in der EU erleichtern. Auch diese Betreiber sollen zudem dafür verantwortlich sein, dass die Umsatzsteuer von Zwischenhändlern einbehalten wird.

Mit dem Paket schwebt der Kommission vor, eine Mehrwertsteuerlücke zu schließen, die gemäß zugleich veröffentlichter Zahlen EU-weit allein im Jahr 2020 rund 93 Milliarden Euro betrug. Schätzungen zufolge sei ein Viertel der fehlenden Einnahmen direkt auf Mehrwertsteuerbetrug im Zusammenhang mit Handel innerhalb der EU zurückzuführen. Die Verluste wirkten sich gerade in Krisenzeiten "äußerst nachteilig auf die öffentlichen Finanzen insgesamt aus".

(bme)