EU-Kommission bereitet Gesetzesvorstoß zur Vergabe von Online-Musikrechten vor

Tilman Lüder, Leiter der Urheberrechtsabteilung der EU-Kommission, will der Empfehlung der Brüsseler Behörde zur Lizenzierung von Urheberrechten für Online-Musikdienste einen verbindlichen Rechtsrahmen folgen lassen.

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Tilman Lüder, Leiter der Urheberrechtsabteilung in der Generaldirektion Binnenmarkt der EU-Kommission, will der umstrittenen Empfehlung der Brüsseler Behörde zur Lizenzierung von Urheberrechten für Online-Musikdienste bald einen verbindlichen Rechtsrahmen folgen lassen. Die Situation sei reif, um vom "soft law" abzugehen und die Frage der kollektiven Rechtewahrnehmung über Verwertungsgesellschaften generell gesetzgeberisch anzugehen, sagte der Jurist am Freitag auf der Urheberrechtskonferenz des Bundesjustizministeriums in Berlin.

Die derzeitigen Lizenzierungspraktiken bezeichnete Lüder als "extrem schwierig nachzuvollziehen". So müsse man schon beim Download eines Musikstücks zwischen zwei Rechten unterscheiden, nämlich dem zur Vervielfältigung und dem für das "öffentliche Zugänglichmachen". Dahinter stünden wiederum verschiedene Verwertungsgesellschaften und Rechteinhaber, die alle etwas vom minimalen Kuchen von rund 99 Cent pro verkauftem Titel etwas abhaben wollten. "Wir verstehen die historischen Gründe für die Komplexität", erklärte der Kommissionsabgesandte. Die Lizenzierungspraxis müsse aber rasch vereinfacht werden. Dies sei allein schon aus dem Grunde wichtig, weil sonst andere Abteilungen in Brüssel die Federführung übernehmen, radikalere Schnitte machen und die "Rechtspflege" unterwandern würden.

Als Prinzipien der geplanten Gesetzesinitiative umriss Lüder, dass die Einnahmen für die Autoren "hoch" gehalten werden müssten. Der begrüßenswerte Wettbewerb zwischen einzelnen europäischen Verwertungsgesellschaften, deren Preisautonomie anzuerkennen sei, dürfe hier nicht zu Absenkungen führen. "Der kleinste gemeinsame Nenner ist keine Option", betonte der Kommissionsvertreter. Generell erkenne die Brüsseler Behörde auch die "kulturpolitische Bedeutung" des Urheberrechts und der Verwertungsorganisationen an.

Zugleich verteidigte Lüder den inzwischen vom EU-Parlament etwas zurechtgestutzten Vorstoß der Kommission zur Ausweitung der Schutzfristen für Musikkünstler von 50 auf 95 Jahre gegenüber Kritik aus der Wissenschaft. Seine Abteilung habe den Anstoß aus der Binnenmarktskommission selbst wissenschaftlich und empirisch geprüft und fortentwickelt. "Bei uns zumindest herrscht keine Korruption", wehrte sich der Jurist gegen Vorwürfe, allein den Lobbyinteressen großer Plattenfirmen nachgekommen zu sein. "Ideal" wäre es natürlich gewesen, die Rechtepakete aufzuschnüren. Doch es hätte nichts gebracht, eine Kluft zwischen Rechteinhaber und Künstler aufzuziehen. Die Schutzfrist auf die Lebenszeit der Werkschaffenden zu begrenzen, wäre ferner auch "zu kompliziert" gewesen, weil es sich dabei um eine individuell unterschiedlich ausfallende Größe handle. Für die Künstler werde mit der Schaffung eines neuen Vergütungsanspruchs und der Auflegung eines Fonds zudem auch etwas getan.

Der Direktor der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO), Francis Gurry, hatte zuvor davor gewarnt, die Gesetzgebung beim Urheberrecht überzustrapazieren. Die Anpassung des rechtlichen Rahmenwerks sei nur als ein Element einer politischen Antwort auf die von dem Australier ausgemachte "Vertrauenskrise" in das System des Schutzes von Rechten an immateriellen Gütern zu sehen. Daneben müssten einerseits "praktikable Vereinbarungen" etwa durch die Festsetzung von Standards, offenen Formaten oder vertrauenswürdigen Vermittlungsstellen für den Zugang zum Wissen geschaffen werden. Wichtig sei in diesem Sinne auch ein "funktionierendes technisches Rahmenwerk" unter der Berücksichtigung freiwilliger Registrierungs- und automatischer Lizenzierungssysteme, öffentlicher Archive, der Wissensallmende und der Interoperabilität.

Ferner forderte Gurry weltweite Überlegungen zur künftigen Ausrichtung des Urheberrechts im Lichte der digitalen Technik und dabei auch einen besseren Dialog auch zwischen den Industriestaaten und Entwicklungsländern. "Wir haben hier einen sehr langen und komplizierten Prozess vor uns mit einer ganzen Reihe von Interessensvertretern", glaubt der WIPO-Chef. Dabei müssten sich alle Beteiligten auch die gewachsenen "sozialen Phänomene" der Internetnutzung genau ansehen. Es sei nötig, die Wertschöpfung rund um kreative Werke auf eine neue Basis zu stellen. Dabei helfe es wenig, etwa die massiven illegalen Downloads über Tauschbörsen als "Piraterie" zu brandmarken. Verständlicher sei es, die Bedrohung der wirtschaftlichen Lieferkette für kulturelle Güter herauszustellen. Die damit verknüpfte Frage müsse lauten: "Wenn wir weiter Musik, Filme und Literatur wollen, wie sollen diese dann finanziert werden?" Für Lüder ist die WIPO dagegen seit dem Scheitern der Verhandlungen über Schutzrechte für den Rundfunk zu einer Art Schwatzbude mit zu vielen Bedenkenträgern verkommen. (Stefan Krempl) / (pmz)