EU-Kommission veröffentlicht neuen Rahmen für Interoperabilität

Die Brüsseler Regierung hat im Streit um die Definition offener Standards zur Herstellung von Interoperabilität bei E-Government-Diensten einen Kompromiss erzielt, der Anbieter von freier und proprietärer Software zum Zug kommen lassen soll.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 4 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Die EU-Kommission hat am Donnerstag eine Mitteilung (PDF-Datei) zur Verstärkung der Interoperabilität bei öffentlichen Diensten verabschiedet. Mit der Initiative will die Kommission erreichen, dass die öffentlichen Verwaltungen in der gesamten EU das soziale und wirtschaftliche Potenzial der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) bestmöglich ausschöpfen. Teil des Vorstoßes ist eine Europäische Interoperabilitätsstrategie und die Neufassung des EU-Rahmenwerks zur Herstellung von Interoperabilität bei E-Government-Diensten.

Das übergeordnete Strategiepapier (PDF-Datei) soll dabei helfen, die Bemühungen der EU durch gemeinsame politische Maßnahmen und Initiativen derart zu bündeln, dass ein "geeignetes Umfeld für einen vertrauensvollen Informationsaustausch zwischen öffentlichen Verwaltungen entsteht". Der zugehörige Interoperabilitätsrahmen (PDF-Datei) gibt gemäß der Kommission den Weg für Leitprinzipien vor, "die eine echte Kooperation zwischen öffentlichen Verwaltungen erlauben". Gleichzeitig würden die Modernisierung und Rationalisierung der Behördensysteme vorangetrieben und Kapazitäten für die Erbringung "hochwertiger öffentlicher Dienste auf kostengünstige Weise" freigegeben.

Besonders umstritten war bei der Novellierung des Rahmenwerks die Definition offener Standards. Das European Interoperability Framework (EIF) forderte in seiner ursprünglichen Version, dass davon erfasste Normen von einer nicht-kommerziellen Organisation entwickelt sowie kostenlos oder gegen eine minimale Gebühr veröffentlicht werden mussten. Zudem waren Rechte an immateriellen Gütern wie Patentansprüche, die einen entsprechenden Standard betreffen, "unwiderruflich ohne die Erhebung von Lizenzgebühren" zur Verfügung zu stellen. Ein Entwurf für die Überarbeitung des Papiers sah im vergangenen Jahr dann aber auch den Einbezug von patentierten und proprietären Lösungen in eine neue "Offenheitsskala" vor.

Auf Wunsch von Lobby-Vereinigungen wie der Business Software Alliance (BSA) sollten so auch "FRAND"-Lizenzierungen (Fair, Reasonable And Non-Discriminatory) in den Rahmen mit einbezogen werden. Demnach müssen Anwender für die Nutzung eines derart lizenzierten Standards üblicherweise Geld zahlen oder sonstige Leistungen erbringen, was aber als schwer vereinbar mit den Prinzipien freier Software gilt. Vereinigungen aus dem Open-Source-Umfeld kritisierten den beabsichtigten neuen Ansatz daher scharf.

Der von der Kommission nun veröffentlichte Kompromiss will es allen Seiten recht machen. Der Grad der Offenheit formalisierter Spezifikationen wird darin zunächst als "wichtiges Element" zur Einschätzung der Möglichkeit des Austauschs und der Weiterverwendbarkeit von Softwarekomponenten beschrieben, die entsprechende Standards implementieren. Um ein größtmögliches "Offenheitsprinzip" anzuwenden, sollen mögliche Patentrechte im Bezug auf Spezifikationen sodann entweder auf FRAND-Basis oder vergütungsfrei in einer Art und Weise lizenziert werden, "die eine Umsetzung sowohl in proprietärer als auch in Open-Source-Software erlaubt". Zur Begründung heißt es, dass so der Wettbewerb zwischen Anbietern von Produkten, Technologien und Diensten auf Basis solcher Standards gestärkt werden solle, die unter verschiedenen Geschäftsmodellen arbeiten.

Das neue Rahmenwerk hält einschränkend weiter fest, dass öffentliche Verwaltungen sich auch dafür entscheiden können, weniger offene Spezifikationen einzusetzen, wenn entsprechende Standards nicht existieren oder den Ansprüchen eines funktionalen Interoperabilitätstests nicht genügen. Generell sollten alle eingesetzten Spezifikationen "reif und ausreichend vom Markt unterstützt" sein, solange sie nicht im Kontext der Entwicklung "innovativer Lösungen" Verwendung fänden. Der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) begrüßte die Tatsache, dass der wichtige Interoperabilitätsrahmen endlich freigegeben worden sei. Man sei zufrieden damit, dass der Vorschlag den Fokus auf die Beseitigung von Barrieren und nicht auf terminologische Spitzfindigkeiten lege, auch wenn Länder wie Indien bereits weiter gegangen seien. Ähnlich äußerte sich der Fachblogger Florian Müller, der sich im Vorfeld gegen einen Ausschluss von FRAND-Lizenzen ausgesprochen hatte. (pmz)