EU-Länder wollen Gas gemeinsam einkaufen – keine Preisdeckel

Die EU will mit gebündelter Nachfrage ihrer Mitglieder niedrigere Gaspreise aushandeln. Für "Markteingriffe" wie Preisbegrenzungen gibt es aber keinen Rückhalt.

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(Bild: Roschetzky Photography/Shutterstock.com)

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Nach neunstündigem Ringen um Maßnahmen gegen die hohen Energiepreise haben sich die EU-Länder darauf geeinigt, gemeinsam Gas einzukaufen. "Ich begrüße, dass wir unsere gemeinsame Verhandlungskraft nutzen werden", sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach dem Gipfel am Freitagabend. "Anstatt uns gegenseitig zu überbieten und die Preise in die Höhe zu treiben, werden wir unsere Nachfrage bündeln." Bei Pipeline-Gas repräsentiere die EU etwa 75 Prozent des Marktes. "Wir haben eine enorme Kaufkraft", sagte von der Leyen.

Für eine direkte Deckelung der Gaspreise, wie sie etwa Italien, Portugal, Spanien oder Griechenland gefordert hatten, gab es zunächst keine Einigung. Länder wie Deutschland und die Niederlande waren gegen einen solchen Markteingriff. Auch Forderungen Spaniens, den Strompreis vom Gaspreis zu trennen – da sie durch einen Preismechanismus verbunden sind – stießen auf Ablehnung. Spanien ist besonders von den hohen Preisen betroffen.

Bundeskanzler Olaf Scholz warnte davor, das Problem der hohen Energiepreise mit Preislimits anzugehen. "Deutschland und viele andere Länder sind sehr skeptisch, wenn es um Markteingriffe geht, weil die Gefahr groß ist, dass man keine gute Wirkung hat, was die Marktversorgung betrifft und keinen nachhaltigen Effekt erwirkt, was die Preise betrifft", sagte der SPD-Politiker am Freitagabend in Brüssel.

Nicht zu solchen Maßnahmen zählte Scholz unterdessen die Festsetzung von Mindestspeichermengen und die freiwillige Zusammenarbeit beim Gaseinkauf. "Transparenz und Kooperation sind sicher sinnvoll", sagte er. In diesem Sinne wolle man versuchen, sich zu informieren und zu kooperieren – auch wenn dies wegen der sehr vielen privatwirtschaftlichen Akteure nicht ganz einfach sein werde.

"Die Energiepreise sind dramatisch gestiegen. Sie belasten Verbraucherinnen und Verbraucher und auch viele, viele Unternehmen in Europa", sagte Scholz. Als übergeordnetes Ziel nannte Scholz den Ausbau der erneuerbaren Energien. Dieser werde auch dazu beitragen, die Wirtschaft und die Energieversorgung unabhängig von fossilen Rohstoffexporten aus Russland zu machen.

Die Abhängigkeit Deutschlands von russischem Gas bezeichnete Scholz unterdessen als "viel geringer als in vielen anderen Ländern". So gebe es einige Staaten, bei denen der Anteil des russischen Gases fast bis zu 100 Prozent betrage. "In Deutschland ist an dem Gesamtenergiemix der Anteil des Gases insgesamt ein Viertel – und davon nur die Hälfte ist russisches Gas", sagte er. "Das ist eine große, aber eine lösbare Aufgabe, sich Alternativen zu schaffen."

In der Erklärung der EU-Staaten heißt es nun, die Länder und die Kommission sollten mit Akteuren des Energiesektors erörtern, ob und wie unter anderem Preisobergrenzen oder Steuernachlässe dazu beitragen könnten, den Gaspreis zu senken und seine "Ansteckungswirkung" auf die Strommärkte zu bekämpfen. Gleichzeitig fordern die Staats- und Regierungschefs Vorschläge von der Kommission gegen die hohen Strompreise, die die Integrität des Binnenmarkts wahren und Anreize für die Energiewende schaffen.

Durch die gemeinsamen Gaseinkäufe auf freiwilliger Basis erhoffen sich die Staaten bereits einen Preisvorteil. Man wolle das "kollektive politische und marktwirtschaftliche Gewicht der Europäischen Union" nutzen, um Preise in Kaufverhandlungen zu drücken, so die Erklärung. Dafür könnte laut Plänen der Kommission ein ihr unterstehendes Team mit Unterstützung der Mitgliedstaaten mit Lieferanten verhandeln – ähnlich wie beim gemeinsamen Kauf der Corona-Impfstoffe. Die gemeinsamen Käufe sollen laut der Erklärung auch für die Ukraine, Moldau und Georgien offen sein, sowie die Länder des Westbalkans.

Die Länder befürworteten auch einen Gesetzesvorschlag der Kommission über verpflichtende Gasreserven, um einen Vorrat für diesen Winter anzulegen. Dieser muss nun von den EU-Ländern und dem Europaparlament verhandelt und angenommen werden.

(tiw)