EU-Nachhaltigkeitsinitiative: "Frage der Sicherheit und Souveränität"

Die Bundesregierung unterstützt den Plan der EU-Kommission für nachhaltige, leichter reparierbare Produkte. Auch aus Wirtschaft und Gesellschaft kommt viel Lob.

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(Bild: Miriam Doerr, Martin Frommherz/Shutterstock.com)

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Die EU-Kommission will mit einem Gesetzespaket inklusive einer neuen Ökodesign-Verordnung dafür sorgen, dass alle in den Mitgliedsstaaten in Verkehr gebrachten Produkte möglichst nachhaltig, wiederverwendbar und recycelbar sind sowie energieeffizient hergestellt werden. Die Bundesregierung befürwortet dies: "Ressourcen sind endlich", erklärte Verbraucherstaatssekretärin Christiane Rohleder von den Grünen. "Daher müssen Produkte langlebiger und besser reparierbar werden."

Wenn solche Artikel künftig in der EU zum Standard würden, nutze dies der Umwelt und den Verbrauchern, hob Rohleder hervor. "Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine" mache zudem "das Einsparen von Ressourcen und Energie noch dringlicher". Hohe Anforderungen an das Ökodesign auch für Waren mit großen Märkten seien daher entscheidend: "So sparen wir Energie und Ressourcen in der Produktion und kommen einem Recht auf Reparatur auf alle physischen Produkte einen großen Schritt näher."

"Das europäische Ökodesign hat eine lange und erfolgreiche Geschichte und hat bereits in der Vergangenheit erheblich zur Steigerung der Energieeffizienz und Verbesserung des Verbraucherschutzes in Europa beigetragen", ergänzte Wirtschaftsstaatssekretär Udo Philipp. Die Initiative sei dringend geboten: "In der heutigen Zeit ist die Minderung unseres Energieverbrauchs – entweder durch direkte Einsparungen oder mittelbar durch eine verbesserte Materialeffizienz und einen besseren Ressourcenschutz – auch eine Frage der europäischen Sicherheit und Souveränität."

In der Wirtschaft gibt es zwar Vorbehalte wegen einer drohenden Überregulierung, doch im Kern überwiegt auch hier die Zustimmung. "Die EU-Kommission geht mit der Überarbeitung der Ökodesign-Regulierung einen wichtigen Schritt hin zu einem nachhaltigen und klimaneutralen Europa", lobt etwa der Geschäftsführer des IT-Verbands Bitkom, Bernhard Rohleder. Ob Smartphones, Tablets oder intelligente Waschmaschinen: Auch die Nutzer digitaler und elektronischer Geräte profitierten künftig davon, dass Aspekte der Kreislaufwirtschaft wie Robustheit und Recycelbarkeit noch stärker ins Zentrum rückten.

Der Bitkom begrüßt vor allem, dass die bestehende Ökodesign-Richtlinie in eine Verordnung umgewandelt und so eine einheitliche Anwendung der Vorgaben sichergestellt werden soll. Zudem sei der geplante verbindliche digitale Produktpass ein Beispiel dafür, wie durch Technik mehr Transparenz für Verbraucher und Unternehmen geschaffen werden könne.

"Mit der Initiative legt die EU-Kommission das wichtigste Paket für mehr Kreislaufwirtschaft in ihrer Amtszeit vor", meint Holger Lösch, Vize-Geschäftsführer des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI). Das Produktdesign sei der Schlüssel dafür. Zugleich forderte er, dass die Nachhaltigkeitskriterien auch für Hersteller aus Drittstaaten gelten und beim Import unabhängig geprüft werden müssten. Hersteller sollten dabei eingebunden werden.

Die Industrie begrüßt laut Lösch die Einführung eines digitalen Produktpasses mit Angaben zum Recycling oder zur Wiederverwendbarkeit. Dieser ermögliche innovative Geschäftsmodelle und eine effizientere Abfalltrennung. Zentral sei es dabei aber, "sensible Geschäftsdaten zu schützen".

Der ZVEI-Verband der Elektro- und Digitalindustrie bezeichnete das Vorhaben als wegweisend für einen "schonenderen Umgang mit Ressourcen, mehr Energieeffizienz und damit mehr Klimaschutz sowie Resilienz in Europa". Die Vielzahl an Nachhaltigkeitsanforderungen dürfe aber nicht zulasten der Produktsicherheit oder -funktionalität gehen. Auch bei den umfangreichen Informationspflichten zu bedenklichen Stoffen gelte es, Verhältnismäßigkeit zu wahren, um die Verbraucher nicht zu überfordern.

Zuversichtlich zeigte sich das Europäische Umweltbüro, dass das neue Paket den nötigen grünen Wandel einleiten könne. Den Vorschlägen fehle aber noch der "Biss, um nachhaltige Produkte wirklich zum Standard für alle zu machen". Die neue Ökodesign-Verordnung etwa werde erst durch delegierte Rechtsakte der Kommission für bestimmte Produktgruppen zu Ergebnissen führen. Dies dürfte viel Zeit in Anspruch nehmen. Instrumente wie ein sofortiges Verbot der Vernichtung unverkaufter Waren oder geplanter Obsoleszenz blieben ungenutzt. Der europäische Verbraucherverband Beuc sprach trotzdem von einem Meilenstein.

Laut einer neuen Studie der Denkfabrik Agora Industrie könnte eine stärker kreislauforientierte und ressourceneffiziente Wirtschaft in der EU die jährlichen Treibhausgasemissionen der Industrie bis 2030 um bis zu zehn und bis 2050 um bis zu 34 Prozent im Vergleich zu 2018 reduzieren. Dies entspreche 70 beziehungsweise 239 Millionen Tonnen weniger CO₂. Allein die Produktion von Eisen, Stahl, Aluminium, Zement und Kalk sowie Kunststoffen verursache 70 Prozent der gesamten industriellen Treibhausgasausstöße und mache einen wachsenden Anteil des Energieverbrauchs und der Verwendung fossiler Brennstoffe aus.

(mho)