Wie die Kreislaufwirtschaft mehr Nachhaltigkeit bringen kann

In der EU soll das Recht auf Reparatur kommen. Das fördert die Kreislaufwirtschaft. Sie bietet Potenzial, Ressourcen nachhaltiger zu nutzen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 79 Kommentare lesen
,
Stand:
Lesezeit: 22 Min.
Inhaltsverzeichnis

"Wir können es uns nicht mehr leisten, in einer Wegwerfgesellschaft zu leben", sagte René Repasi (SPD), Verhandlungsführer des Europaparlaments, als sich in der vergangenen Nacht Unterhändlicher und EU-Staaten auf ein sogenanntes Recht auf Reparatur für Verbraucherinnen und Verbraucher einigten. Hersteller von sogenannter weißer Ware, worunter Haushaltsgeräte fallen, aber auch elektronische Alltagsgeräte wie Smartphones sollen ihre Produkte künftig auf Wunsch reparieren. So soll Müll reduziert werden und Geräte sollen länger benutzbar sein. Das dient nicht nur dem Verbraucherschutz, sondern hat auch weniger Ressourcenverbrauch bei der Herstellung von Produkten zur Folge, wie die EU-Kommission bereits in ihrem Vorschlag aus dem vorherigen Jahr argumentierte.

Ressourcen zu schonen, Rohstoffe wieder zu verwenden und insgesamt den Lebensweg eine Produktes zu optimieren beinhaltet die Kreislaufwirtschaft. Dieses Konzept erfordert mitunter ein völlig neues Denken.

Wiederveröffentlichung

Dieser Artikel erschien ursprünglich unter dem Titel "Den Kreis schließen" in Ausgabe 2/2022 der MIT Technology Review. Anlässlich der Einigung auf EU-Ebene zum Recht auf Reparatur veröffentlichen wir ihn hier erneut.

Ein Denken, das sich etwa in der "NochMall" in Berlin-Reinickendorf manifestiert. Jede Gitterbox, jede Europalette, jede Holzfaserplatte in der Einrichtung verbreitet die gleiche Botschaft: Kreislaufwirtschaft ist hip. Das Gebrauchtwarenhaus will mehr sein als ein gewöhnliches Second-Hand-Kaufhaus – nämlich ein Schaufenster für alles, was mit Wiederverwendung zu tun hat. "Wir wollen die Mitte der Gesellschaft erreichen", sagt Geschäftsführer Frieder Söling. Dazu beitragen sollen viel Licht, viel Platz und viel Holz sowie regelmäßige Workshops, Repaircafés, Lesungen, Auktionen und Ausstellungen.

Dieser Text stammt aus: Technology Review 2/2022

(Bild: 

Technology Review 2/2022 im heise shop

)

Wir schauen auf unsere Wirtschaft und wie wichtig das Konzept der Kreislaufwirtschaft ist, um die bisherigen Verfahren und Prozesse zu überwinden. Das und mehr lesen Sie im neuen Heft, das ab dem 17.2. im Handel liegt und ab dem 16.2. bequem im heise shop zu bestellen ist. Highlights aus dem Heft:

Im ehemaligen Teppichlager im Berliner Norden findet man nicht nur frischen Cappuccino aus nachhaltigem Kaffee, sondern auch kubikmeterweise Stofftiere für einen Euro pro Stück, museumsreife Kinderwagen für moderate zweistellige Beträge oder ein modernes Cembalo für 900 Euro. Und eine Ecke ist ganz den Berliner Upcycling-Start-ups gewidmet: Hüte und Mützen aus ehemaligen Kaffeesäcken oder Hemden aus Jersey-Bettwäsche.

Ebenso ungewöhnlich wie das Sortiment ist auch der Träger dieses 2020 eröffneten Anti-Konsumtempels: die Berliner Stadtreinigung (BSR). Dass diese es nicht mehr als ihre alleinige Aufgabe betrachtet, den Bürgern ihren Abfall möglichst geräuschlos vom Hals zu schaffen, ist symptomatisch für das neu erwachte Interesse an der Kreislaufwirtschaft. Erstmals taucht der Begriff nun auch in einem Koalitionsvertrag auf: "Wir fördern die Kreislaufwirtschaft als effektiven Klima- und Ressourcenschutz, Chance für nachhaltige Wirtschaftsentwicklung und Arbeitsplätze", heißt es dort. Dazu wollen die Koalitionäre unter anderem abfallrechtliche Vorgaben überprüfen, digitale Produktpässe einführen, Qualitätsstandards und Mindestquoten für Rezyklate festsetzen. Die EU hat im Rahmen ihres Green Deal Ähnliches angekündigt.

Die alte "Linear"-Wirtschaft (Rohstoffe rein, Abfälle raus) wird derzeit von zwei Seiten in die Zange genommen: Zum einen wird immer deutlicher, wie stark der Rohstoffverbrauch die Umwelt und das Klima belastet. Zum anderen wird die Versorgung mit Rohstoffen immer fragiler.

Viel Platz, viel Holz und viel Licht verbreiten in der Berliner „NochMall“ die Botschaft: Kreislaufwirtschaft ist hip.

(Bild: Nils Schirmer / Nochmall)

Laut Circularity Gap Report 2021 verursacht der Umgang mit Material rund 70 Prozent aller Treibhausgase, weit mehr als die reine Energieversorgung. Dieser hohe Anteil erklärt sich dadurch, dass eine große Menge der erzeugten Energie direkt oder indirekt in die Herstellung materieller Güter fließe – etwa für den Betrieb von Containerschiffen, Kühlhäusern, Stahlwerken oder Aluminiumhütten. Entsprechend groß sei auch der Hebel einer Kreislaufwirtschaft. Derzeit fließen laut Gap Report nur 8,6 Prozent des von Menschen in Umlauf gebrachten Materials zurück in die Wirtschaft. Eine Verdoppelung dieser Quote würde reichen, den Temperaturanstieg der Welt bis 2032 unter zwei Grad zu drücken.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier ein externer Podcast (Podigee GmbH) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Podigee GmbH) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.