EU-Staaten sind weitgehend machtlos im Kampf gegen illegales Online-GlĂĽcksspiel

Ein Netzwerk illegaler Glücksspielseiten operiert in Europa und verstärkt Suchttendenzen. Die Betreiber sind wegen undurchsichtiger Strukturen kaum greifbar.

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Jetons auf einem Spieltisch

(Bild: Netfalls Remy Musser/ Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.

Hinter der glitzernden Fassade des Softwareanbieters Delasport im Business-Park Office X im bulgarischen Sofia verbergen sich Dutzende oder sogar Hunderte Glücksspiel-Webseiten. Sie richteten sich gezielt auch an Länder in der EU, in denen Glücksspiel eigentlich streng reguliert ist und zögen dort Verbraucher ab. Das berichten mehrere europäische Medien, die in einer gemeinsamen Recherche die "Casino Papers" ausgewertet haben, die Zehntausende aus der Branche geleakte Dokumente umfassen. Die Betreiber der Online-Portale mit hohem Suchtfaktor sind für die Regulierer auf dem alten Kontinent demnach kaum greifbar: Briefkastenfirmen in Malta und Curaçao spielen den Berichten zufolge eine entscheidende Rolle bei der Verschleierung der Eigentümer.

Über das Netzwerk einschlägiger Webseiten beschweren sich regelmäßig Aufsichtsbehörden sowie Verbraucher etwa aus Deutschland, Italien oder den Niederlanden, die sich im großen Stil betrogen und ausgenutzt fühlen. Selbst Nutzer, die sich aufgrund ausgemachter Spielsucht auf nationale Selbstausschlusslisten haben setzen lassen, dürfen laut den Analysen von Follow the Money, Sveriges Radio, Der Standard, ORF und The Shift auf Seiten wie Casinowinbig, 18Bet, 1Bet und Palmslots weiter zocken. Ihre Verluste beziffern sie auf zehn- und hunderttausende Euro.

Die Strukturen hinter den illegalen Glücksspielangeboten sind intransparent. Öffentliche Quellen wie das Handelsregister von Curaçao zeigen zwar auf dem Papier, welche Dienstleister auf der Insel die Briefkastenfirmen betreiben. Die Auftraggeber verschweigen sie aber. Mit den Casino-Leaks kommt mehr Licht in das Dunkel. Der israelische Geschäftsmann Avi Shemesh, dem Delasport gehört, besitzt demnach auch die maltesische Briefkastenfirma Shark77 Limited. Diese wiederum betreibt drei Online-Casinos, die auf dem Radar der Glücksspielbehörden in europäischen Ländern sind. Die niederländische Aufsicht etwa verhängte 2023 eine Geldstrafe von rund 900.000 Euro gegen das Unternehmen, weil es 18Bet.com in Holland ohne Lizenz betrieb.

Die Curaçao-Briefkastenfirmen Bellona und NewEra wiederum gehören den Berichten zufolge Ilan Shemesh, der ebenfalls aus Israel stammt. Die zwei Unternehmen betreiben Dutzende weitere Glücksspielseiten, die europäische Kontrolleure auf dem Kieker haben. Ob die beiden Männer mit gleichem Nachnamen verwandt sind, konnten die Reporter nicht klären. Die durchgesickerten Papiere zeigten aber, dass das Management von Delasport Verträge rund um die Online-Casinos unterzeichnet und über Streitigkeiten mit Aufsichtsbehörden sowie Gerichtsverfahren von Spielern gegen die Seiten informiert oder sogar direkt daran beteiligt sei. Spanische und niederländische Regulierer haben bereits recht hohe Strafen gegen die Betreiber verhängt. Geld haben sie aber nicht erhalten. Stattdessen wird zumindest der spanische Markt derzeit nicht mehr von den Machern bedient.

Den größten Umsatz erzielten die schwer zu stoppenden Akteure bislang in Deutschland, Italien, Schweden, Österreich und Dänemark, geht aus den Dokumenten hervor. Die Bundesrepublik war demnach der mit Abstand größte Markt. Die deutsche Glücksspielbehörde beschwerte sich 2022 in einem Brief über zwölf Standorte von Bellona auf Curaçao und drohte mit Geld- und Gefängnisstrafen, sollten die Standorte von Deutschland aus erreichbar bleiben. Auch das hat bisher wenig gebracht. Von Delasport hieß es nur: Die eigene Geschäftstätigkeit erfolge "unter strikter Einhaltung aller geltenden Gesetze, Vorschriften und Lizenzbedingungen in den Ländern, in denen wir lizenziert sind". Parallel laufen Klagen von Spielern an: "Wir bereiten derzeit eine große Zahl von Fällen gegen Bellona in Curaçao vor", teilte der deutsche Fachanwalt Marc Ellerbrock mit. "Das Geschäftsmodell ist nicht Glücksspiel, sondern Sucht."

(olb)