Edit Policy: PimEyes & Gesichtserkennung in Europa – wo bleibt der Aufschrei?

Gesichtserkennung ist eine massive Gefahr für die Grundrechte, aber eine Debatte über ihren Einsatz gibt es in Deutschland und Europa nicht. Anders in den USA.

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Edit Policy 11: PimEyes & Gesichtserkennung in Europa – Wo bleibt der Aufschrei?

(Bild: Scharfsinn/Shutterstock.com/Diana Levine)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Felix Reda
Inhaltsverzeichnis

Gesichtserkennung stellt eine erhebliche Gefahr für unsere Grundrechte dar. Hierzulande muten Debatten über das Thema oft so an, als handele es sich dabei um Zukunftsmusik – oder ein Problem, das in erster Linie Länder mit einem niedrigeren Datenschutzniveau wie die USA oder China betreffe. Dabei breitet sich die automatische Gesichtserkennung in Europa und auch in Deutschland rasant aus. Bundespolizei und Kriminalämter setzen die Technologie bereits seit Jahren ein, Tendenz stark steigend. Die EU-Kommission investiert in unseriöse Startups, die Gesichtserkennung an Europas Außengrenzen als Lügendetektoren einsetzen wollen. Und ein polnisches Clearview-Klon bietet eine frei zugängliche Gesichter-Suchmaschine im Netz an. Wo bleibt der Aufschrei?

Kolumne: Edit Policy

(Bild: 

Volker Conradus, CC BY 4.0

)

In der Kolumne Edit Policy kommentiert der ehemalige Europaabgeordnete Felix Reda Entwicklungen in der europäischen und globalen Digitalpolitik. Dabei möchte er aufzeigen, dass europäische und globale netzpolitische Entwicklungen veränderbar sind, und zum politischen Engagement anregen.

In einer umfangreichen Recherche hat Netzpolitik kürzlich auf PimEyes aufmerksam gemacht, ein polnisches Gesichtserkennungs-Startup, das die anonyme Suche nach beliebigen Gesichtern in einer Datenbank aus 900 Millionen, augenscheinlich aus öffentlichen Quellen stammenden, Bildern erlaubt. Auch Screenshots aus YouTube-Videos und Instagram-Fotos wurden von der Webseite gesammelt.

Seit Netzpolitik begonnen hat, kritische Fragen zu stellen, bewirbt die Firma ihre Dienste als Privatsphäre-Schutz, der ausschließlich die Suche nach eigenen Fotos erlauben soll. Zuvor schlug die Firma Nutzer*innen noch explizit vor, fremde Bilder, etwa von Prominenten, zu suchen. Einen effektiven Schutz gibt es bis heute nicht, der verhindern könnte, dass die Suchmaschine für Stalking oder Überwachung von Mitarbeiter*innen missbraucht wird.

Dass PimEyes nicht ausschließlich zur Suche nach dem eigenen Bild gedacht ist, zeigt sein Geschäftsmodell, basierend auf kostenpflichtigen Premium-Funktionen, die etwa ein Sonderangebot für 100 Millionen Datenbankabfragen pro Monat enthalten.

Der Datenschutzbeauftragte für Baden-Württemberg, Stefan Brink, geht davon aus, dass PimEyes gegen die Datenschutzgrundverordnung verstößt. Da es sich bei biometrischen Daten um besonders schutzwürdige Informationen handelt, hätte die Firma von jeder Person in ihrer Datenbank aus 900 Millionen Gesichtern eine Einwilligung einholen müssen. Dennoch ist es möglich, dass PimEyes schon heute von europäischen Behörden genutzt wird. Der Firma ist nämlich der Coup gelungen, eine Kooperation mit dem schwedischen Unternehmen Safer Society einzugehen, das seinerseits PimEyes in seine Überwachungssoftware Paliscope integriert hat, die es Behörden zur staatlichen Überwachung oder Strafverfolgung anbietet. Auch die europäische Polizeibehörde Europol ist Kundin von Safer Society.

Als Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ins Amt gewählt wurde, versprachen sich manche ein härteres Durchgreifen gegen Gesichtserkennungs-Technologien. Von der Leyen versprach einen Gesetzesvorschlag zur Regulierung der „künstlichen Intelligenz“ innerhalb von 100 Tagen (die inzwischen bereits verstrichen sind). Kern der europäischen KI-Regulierung sollten hohe ethische Standards sein, die das Vertrauen in die Technologie stärken und den Vorzug gegenüber rein wirtschaftlichen Erwägungen bekommen sollten.

Ein solcher Gesetzesvorschlag ist bislang ausgeblieben. Anfang des Jahres hat die EU-Kommission lediglich ein Strategiepapier zur künstlichen Intelligenz veröffentlicht. Eine Passage, die in einer früheren Entwurfsfassung ein zeitweises Verbot von Gesichtserkennung im öffentlichen Raum vorschlug, wurde aus der Endfassung gestrichen.