Ehemaliger Nokia-Boss: Elop war nicht erste Wahl

Nokias ehemaliger Aufsichtsratschef Jorma Ollila holte Stephen Elop einst zu Nokia und trug dessen Entscheidungen stets mit. Jetzt hat er seine Autobiografie geschrieben und tritt ein bisschen nach.

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Stephen Elop hat es auch nicht leicht. Der Kanadier hatte den Spitzenjob bei Nokia 2010 angetreten und eine "brennende Bohrinsel" vorgefunden. Er wurde angeheuert, um Entscheidungen zu treffen, und das tat er. Vollständig löschen konnte er den Brand nicht, der an der Substanz des finnischen Traditionskonzerns zehrt. Jetzt hat Microsoft die noch qualmende Baustelle übernommen und Elop ist erstmal wieder weg. Sein ehemaliger Aufsichtsratschef, der ihn einst zu Nokia lotste, hat eine Autobiografie geschrieben und tritt ein bisschen nach.

Stephen Elop war also nicht die erste Wahl. Es habe fünf Kandidaten gegeben, verrät der frühere Verwaltungsratschef Jorma Ollila in seiner gerade in Finnland erschienenen Lebensgeschichte. Er sei damals in die USA gereist, um mit fünf CEO-Kandidaten zu sprechen. Sein Favorit habe dann leider aus persönlichen Gründen abgesagt. Wer das war, verrät Ollila nicht. Nur so viel: Es ging um die "Nummer Zwei" eines bekannten amerikanischen Technologie-Unternehmen, jemand "um die 50".

Wie alt war Tim Cook 2010 eigentlich? Das ist natürlich reine Spekulation, liegt aber nahe: Nokia suchte jemanden "vom Kaliber eines Steve Jobs". Einen Produkt-Typen. Elop, der es als zweiter auf der Liste dann schließlich wurde, teilt mit His Steveness zumindest den Vornamen. Ollila lobt Elop als "guten Verkäufer und entscheidungsfreudige Führungskraft". Nichts brauchte Nokia 2010 dringender als jemanden, der Entscheidungen trifft.

Der finnische Traditionshersteller hatte mit Ollila als CEO seine goldene Zeit. Dies ist aber auch die Zeit, in der die Saat für die späteren Probleme gesät wurde, die unter Ollilas 2006 angetretenem Nachfolger Olli-Pekka Kallasvuo langsam aufging. Noch lange konnten sich die Finnen an der Marktspitze halten, doch zeigten sich bereits erste Risse im Fundament.

Dann passierte das iPhone. "Apple hat es verstanden, etwas komplett neues zu schaffen", erzählt Ollila in seinem Buch. "Das Telefon als Schlüsselgerät zu einem ganzen Ökosystem mit verschiedenen Diensten und Anwendungen." Nokia hatte dergleichen nicht zu bieten. Und schlimmer noch: Es sah auch nicht so aus, als ob sich das so schnell ändern würde.

Das Unternehmen war ein behäbiger Riese geworden, der zu lange brauchte, um Innovationen auf den Markt zu bringen, und der zu viele nichtssagende Handys im Portfolio hatte. Der selbstzufriedene Marktführer war leichte Beute für aggressive Emporkömmlinge wie Apple und Google, die heute die Smartphone-Landschaft bestimmen.

Elop entschied sich nach seiner Anamnese des "finnischen Patienten" schließlich für Microsoft und Windows Phone, gegen Eigengewächse wie Symbian und MeeGo – vor allem aber gegen die Option Android. Das war ein harter Schnitt und eine mutige Wette, die vom gesamten Verwaltungsrat mitgetragen wurde. Im Nachhinein muss Ollila einräumen, dass die Wette nicht aufgegangen ist. Elop ist wieder bei seinem alten Arbeitgeber Microsoft, der sich gerade Nokias Kerngeschäft einverleibt, und gilt als ein möglicher Nachfolger des scheidenden Steve Ballmer.

"Wir waren nicht erfolgreich damit, Microsofts Betriebssystem für die Entwicklung wettbewerbsfähiger Produkte zu nutzen oder eine Alternative zu den zwei dominierenden Unternehmen in dem Feld zu bieten", sagte Ollila der finnischen Tageszeitung Helsingin Sanomat auf die Frage, ob der Wechsel zu Windows Phone nicht ein Fehler gewesen sei.

Nach der Absage seines Favoriten sei die Entscheidung zwischen Elop und Anssi Vanjoki gefallen, schreibt Ollila in seinen Erinnerungen. Vanjoki ist so ein Produkt-Typ ganz nach seinem Geschmack und war fast 20 Jahre im Unternehmen. Bei dem großen Umbau 2010 stieg Vanjoki zum Leiter des Kerngeschäfts und Hoffnungsträger auf. Der beliebte Manager war Anwärter auf das Thronerbe. Als Ollila nach Kallasvuos Abgang dann Elop auf den heißen Stuhl setzte, schmiss Vanjoki hin.

Den Verkauf Nokias an Microsoft bezeichnete Vanjoki als "eine Schande", aber nach "einem Totalversagen bei Strategie und Umsetzung" eben "unausweichlich". (vbr)