Problem-Raupen im Visier: Mit Paintball-Kanone gegen Eichenprozessionsspinner

Forschende schießen mit einer Paintball-Waffe Sexuallockstoffe in Bäume. Ihr Ziel: die Vermehrung der Eichenprozessionsspinner bremsen.

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Mit Hilfe von Paintball-Markierern kann das Pheromon gezielt in die Eichenkronen gebracht werden.

(Bild: Nicole Fiegler/ Wald und Holz NRW)

Lesezeit: 3 Min.

Anruf bei Ole Theisinger: Der promovierte Biologe vom Landesbetrieb Wald und Holz NRW ist gerade auf einem Friedhof in Bochum unterwegs und beschießt Eichen mit einem Paintball-Gewehr. Klingt nach einem seltsamen Hobby, ist aber ein beruflicher Auftrag – und durch eine Erlaubnis der Polizei auch offiziell abgesegnet. Schließlich enthält die Munition keine Farbkugeln aus Plastik, sondern bioabbaubare Gelkügelchen, die mit einer Pheromon-Paste gefüllt sind – und einem guten Zweck dienen.

Aus der Paste dünstet ein hoch konzentrierter, synthetischer Sexuallockstoff, der die Vermehrung der Eichenprozessionsspinner bremsen soll. Denn die Raupen dieser Nachtfalterart haben Haare, die verwehen und für Menschen zum Problem werden können. Das enthaltene Nesselgift Thaumetopoein kann Juckreiz, Hautentzündungen und starke allergische Reaktionen auslösen.

Das Wirkprinzip der Paintpall-Paste: Sie soll in der Paarungszeit Verwirrung stiften. "Wegen des Überangebots des Lockstoffs können die Männchen die Weibchen einfach nicht mehr orten", erklärt Theisinger. Und wenn die Falter-Weibchen nicht befruchtet werden, schlüpfen im Folgejahr weniger Eichenprozessionsspinner-Raupen.

Sucht seine Prozession: eine einzelne Eichen-Prozessionsspinnerraupe.

(Bild: regani / public domain)

Theisinger und sein Team testen die Methode zurzeit in einem Pilotprojekt an sieben Standorten in Nordrhein-Westfalen, in Parks, auf Friedhöfen und an Eichenalleen. Das Verfahren sei umweltfreundlich und schade anderen Organismen nicht, berichtet der Biologe. Bei Bioziden, die üblicherweise zum Einsatz kommen und die Raupen töten, bevor das Haarkleid wächst, sei dies hingegen nicht der Fall. Mildere Maßnahmen, wie die Raupennester abzuflammen oder abzusaugen, seien wiederum aufwändig und teuer.

Die Forscher vom Team Wald und Klimaschutz bringen Falterfallen in befallenen und nicht-befallenen Eichen an.

(Bild: Nicole Fiegler/ Wald und Holz NRW)

In der Regel werden pro Baum acht Gelkugeln abgeschossen."Wir fangen unten am Stamm an und arbeiten uns dann langsam hoch in Richtung Krone", erzählt Theisinger. Beim Aufprall zerplatzten die Kugeln. Ein Teil der wachshaltigen Paste bleibe direkt dort kleben, ein anderer verteile sich als Tröpfchen auf den umliegenden Zweigen und Blättern. Die Formulierung der Paste sei wichtig, damit sich der Geruch möglichst lange hält. Die exakte Wirkdauer und damit einen möglichen Optimierungsbedarf will das Team noch ermitteln. Nach vier Wochen wird die Behandlung noch einmal wiederholt.

Die "Verwirrmethode", so der offizielle Name, ist nicht neu. Mit Pheromonen werden in den USA zum Beispiel Obstplantagen von Flugzeugen aus besprüht, um die Ausbreitung des Schwammspinners einzudämmen. Auf die Idee mit der Paintball-Waffe stieß Theisinger über ein Video aus den Niederlanden. Dort wurde die Methode 2020 schon einmal getestet – mit Erfolg. In den behandelten Eichen fanden die Forschenden im Folgejahr rund 50 Prozent weniger Nester des Problem-Falters, im Vergleich zu unbehandelten Bäumen.

Die Auswertungen von gefangenen männlichen Faltern in den Trichterfallen bringen hilfreiche Forschungsergebnisse.

(Bild: Nicole Fiegler/ Wald und Holz NRW)

Wie gut das Verfahren an den Teststandorten in Nordrhein-Westfalen anschlägt, wird sich im nächsten Sommer zeigen. Ein bundesweites Vorhaben gemeinsam mit internationalen Partnern sei bereits in Planung, heißt es aus dem Landesbetrieb Wald und Holz NRW. Dabei stehen auch großflächigere Anwendungen in besonders stark befallenen Wäldern zur Debatte, wo die Pheromone allerdings von Flugzeugen oder Hubschraubern aus verteilt werden würden.

Für Parks und Friedhöfe sei das keine Alternativ, betont Theisinger. "Da fliegt man eben nicht mit dem Hubschrauber rüber, sondern man kann ganz wunderbar von unten nach oben schießen", sagt Theisinger. Die Paintball-Methode sei dort die Methode der Wahl, "weil sie total praktikabel ist und wir, ehrlich gesagt, auch Spaß haben."

(anh)