Ein Schritt nach vorne für Chinas Netz?

Fast jeder zehnte Surfer kommt aus China, berichtet das CNNIC. Aber auch die Internet-Regulierung wurde verschärft.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 25 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Monika Ermert

Fast jeder zehnte Surfer kommt aus China. Das bevölkerungsreichste Land der Welt stellt mit knapp 60 Millionen Nutzern inzwischen nach den USA die zweitgrößte Gruppe von Usern weltweit. Das ist das Ergebnis des aktuellen Halbjahresberichts des China Internet Network Information Center (CNNIC). Die für .cn-Länderdomains zuständige Behörde legte in Peking zum elften Mal ihre Netzschau vor, dieses Mal unter dem Titel "Chinas Internet macht einen großen Schritt nach vorn". Zum ersten Mal hat sich CNNIC auch mit der Zahl der in China zur Verfügung stehenden IP-Adressen befasst, laut dem Bericht sind es 29 Millionen IP-Adressen für die Volksrepublik.

Auf stolzen 102 Seiten breitet das CNNIC statistisches Material zur Internetnutzung in China, aber daneben auch für Hongkong und Taiwan aus, mit einer klaren Betonung der nach wie vor steilen Wachstumskurven. Rund 13 Millionen neue Internet-User hat das Netz allein im vergangenen zweiten Halbjahr angelockt. Frauen haben demnach mächtig aufgeholt und stellen inzwischen 40 Prozent, die Generation bis 24 Jahre stellt 55 Prozent der User. 9,5 Prozent der User kommen aus der Provinz Kanton, damit liegt die Südprovinz ganz vorn. Im Dauerclinch zwischen der Boomtown Shanghai und Chinas Machtzentrum (und der Internetwiege) Peking hat Shanghai dieses Mal die Nase mit 7,1 gegenüber 6,6 Prozent vorne. Auch die Zahl der an Netz angeschlossenen Rechner (plus 66 Prozent) und der Homepages (plus 34 Prozent) wächst stetig. Eine der wenigen rückläufigen Zahlen ist lediglich die der E-Mail-Accounts pro User: "Das zeigt die größere Vernunft der Nutzer bei der Umgang mit E-Mail", resümiert man beim CNNIC.

Über das Nutzungsverhalten und den Ausbildungs- und beruflichen Hintergrund der Nutzer hat CNNIC eine Menge Zahlen zusammengetragen. An der Spitze der am Netz interessierten Berufsgruppen liegen nach den Studierenden (28 Prozent) der öffentliche Dienst und Leute aus dem IT-Bereich. 50 Prozent der Befragten gab übrigens an, dass sie gar kein eigenes Einkommen oder unter 500 Yuan (rund 62 Euro) haben. 39 Prozent geben daher maximal 50 Yuan pro Monat fürs Surfen aus. Gesurft wird vor allem zu Hause oder am Arbeitsplatz, und zwar durchschnittlich etwa 9,8 Stunden pro Woche.

Die "Suche nach Informationen" gibt eine Mehrheit als wichtigstes Interesse an, E-Mail wird von 92 Prozent als wichtiger Dienst genannt. Aber auch Chats spielen bei 45 Prozent der chinesischen Surfer eine wichtige Rolle. Die separat befragten Nichtnutzer -- das sind 95 Prozent der Gesamtbevölkerung der Volksrepublik, im Gegensatz zu 55 Prozent in Hongkong und 62 Prozent in Taiwan -- geben als Grund ihrer Abstinenz vor allem an, dass sie "nicht wissen, wie Internet funktioniert". An zweiter Stelle für die Hürden steht der Zeitmangel. Am wenigsten zufrieden sind die User mit den Preisen für die Internetnutzung, gefolgt von der Geschwindigkeit.

Was nicht im CNNIC-Bericht steht: Nicht nur bei der Zahl der User hat man kräftig aufgeholt, sondern auch bei der Verabschiedung neuer Gesetze zur Regulierung des Internet. Nach strengen Zensurbestimmungen für Inhalteanbieter, die seit August 2002 in Kraft sind, inhaltlichen und administrativen Auflagen für die Betreiber von Internetcafés nach dem Brand in einem Pekinger Internetcafé im vergangenen Jahr, verordnete die offiziöse Chinese Internet Society allen Content- und Access-Providern im vergangenen Jahr noch einen Selbstregulierungskatalog. Internet Portale wie Sina.com, Sohu.com, FM 365.com wurden im vergangenen Jahr regelmäßig überprüft, berichteten Telekommunikations-Experten der Anwaltskanzlei Paul Weiss. "Internet-Inhaltsanbieter in Peking wurden zumindest bis September vergangenen Jahres jeden Dienstag, Donnerstag und Freitag von den Behörden kontrolliert," heißt es in einem Newsletter der Kanzlei. "Die inhaltliche Beschränkungen werden sehr genau durchgesetzt, besser als die TK-rechtlichen Bestimmungen," sagte TK-Expertin Jeanette Chan von Paul Weiss. Erst heute meldete die South China Morning Post, dass sich das US-Unternehmen Pyra Technologies mit den chinesischen Behörden verständigen will, nachdem offenbar die von dem Unternehmen betriebene Blogspot-Webseite in China gefiltert wird.

Zuletzt regelte das Ministry of Information Industry 2002 schließlich den Domainmarkt neu. Damit können auch nicht-chinesische User, nämlich die, die eine cn-Domain registrieren wollen, sich mit den Zensurbestimmungen der KP auseinandersetzen. Große Hoster wie die britische Easyspace ermahnen die Kunden so: "Sie verpflichten sich und garantieren, dass sie nach bestem Wissen und Gewissen alle anwendbaren Gesetzen, Verordnungen und Regeln der Behörden der Volksrepublik China und des CNNIC einhalten, einschließlich, aber nicht beschränkt auf folgende Regeln: Chinas Domain-Name-Regeln, CNNIC-Registrierungsregeln, den Schlichterregeln des CNNIC für Domain-Streitigkeiten und den allgemeinen Regeln für die Schlichterverfahren." (Monika Ermert) / (jk)