Elektronische Patientenakte: Vollständige Anonymisierung der Daten nicht sicher

Bei der für 2025 geplanten "elektronischen Patientenakte für alle" gibt es noch viele offene Fragen, etwa zur Anonymisierung der Daten.

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Ärztin mit Blatt Papier und Laptop

(Bild: fizkes/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti
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Bis Ende 2025 sollen 80 Prozent der Versicherten über eine elektronische Patientenakte (ePA) verfügen. Auf einer Anhörung des Gesundheitsausschusses wurden Umsetzungsdetails und -fristen allerdings kritisch hinterfragt. Mehrere Experten wiesen zudem darauf hin, dass für die Behandelnden unstrukturierte Daten wenig hilfreich seien. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer erklärte, die strukturierten Daten seien ein "Muss".

Darüber hinaus begrüßte Reinhardt die geplante Opt-Out-Regelung bei der ePA, nach der alle gesetzlich Versicherten automatisch eine bekommen – außer sie widersprechen. Die granulare Zugriffsverwaltung sei jedoch teilweise so kleinteilig gestaltet, dass sie die Überschaubarkeit und Praktikabilität für die Versicherten gefährde. Insbesondere die ePA von Versicherten mit komplexen chronischen Erkrankungen müsse für die behandelnden Ärzte schnell einen Überblick bieten können.

Die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) unterstütze das Opt-Out-Verfahren, wichtig sei aber ein Mehrwert für Versicherte. Außerdem müsse die ePA reibungslos verwendbar sein und der Widerspruch einfach, selbsterklärend und barrierefrei. Die Widersprechenden dürften zudem in der Versorgung nicht diskriminiert werden.

Der Einzelsachverständige und Arzt Ferdinand Gerlach erklärte, dass mit der ePA erstmals für die Patienten zu sehen sei, wer wo welche Gesundheitsdaten über sie speichere und wer darauf zugreife. Damit könne Missbrauch erkannt und verfolgt werden. Allerdings warnte er davor, dass Versicherte Daten aus der ePA ausblenden oder löschen können. Eine unvollständige Akte wäre für Ärzte keine zuverlässige Grundlage. Hingegen sei eine "Verschattung von Informationen" auf Wunsch der Versicherten sinnvoll.

Ebenfalls als Sachverständige geladen war die Interoperabilitätsexpertin Sylvia Thun. Sie sieht das geplante Opt-Out bei der Bereitstellung von ePA-Daten für die Forschung "kritisch". Insbesondere könne die Nutzung von Freitext in den gespeicherten Daten nicht vollständig ausgeschlossen werden: "Dass dieser vollständig anonymisiert ist, kann nicht per se sichergestellt werden", schreibt sie in ihrer Stellungnahme. Eine vollautomatisierte Ausleitung ohne vorherige Zustimmung der Betroffenen führe daher zu einer Verletzung des Datenschutzrechts und des Arztgeheimnisses.

Die baldige Einführung der ePA kritisierte der GKV-Spitzenverband als zu kurzfristig. Würde diese in einem unreifen Zustand verpflichtend eingeführt, könne dies die Akzeptanz gefährden. Er plädiert daher, die Einführung um ein halbes Jahr auf den 1. Juli 2025 zu verschieben. Der Plan, dass Krankenkassen auf Wunsch der Versicherten bis zu zehn Dokumente pro Jahr in die ePA einstellen sollen, sei aufwendig, teuer und datenschutzrechtlich kaum umsetzbar. Alternativ könnten Versicherte eigenständig Dokumente scannen und in die ePA einstellen.

Das Gesetz strebt außerdem eine stärkere Nutzung Digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGAs) an. Geplant ist, den Leistungsanspruch auf digitale Medizinprodukte der höherer Risikoklasse IIb auszuweiten. Damit können behandelnde Ärzte die PatientInnen telemedizinisch überwachen. Beispielsweise können kritische Ereignisse dem Arzt direkt digital zugeleitet werden. Der GKV-Spitzenverband sieht dies "sehr kritisch".

Gemeinsam mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, der Bundesärztekammer, dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) und dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen hatte er bereits im August in einem gemeinsamen Brief den Bundesgesundheitsminister davor gewarnt. Es könne laut G-BA zu erheblichen Gesundheitsrisiken für die Patienten und Haftungsrisiken für die Behandelnden kommen.

Demnach soll für diese Medizinprodukte im Fast-Track-Verfahren eine schnellere Zulassung erreicht werden – allerdings "zulasten des nachgewiesenen medizinischen Nutzens und der Patientensicherheit", kritisiert der GKV-Spitzenverband. Bei diesem Zulassungsverfahren zur Erprobung der Verfahren ist kein Nachweis über den Nutzen erforderlich. Viele der so erprobten Anwendungen wurden wieder von der DiGA-Liste gestrichen.

(mack)