Verbraucherschützer für ausdrückliche Zustimmung bei Gesundheitsdatennutzung

Während es bei der Datenanonymisierung Unklarheiten gibt, soll Datenmissbrauch mit "strengen Strafen" sanktioniert werden, wie aus einer Anhörung hervorgeht.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 16 Kommentare lesen
Stethoskop um Weltkugel

(Bild: Shutterstock/isai Hernandez)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti
Inhaltsverzeichnis

Ein Plan der Bundesregierung über ein Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) wurde im Gesundheitsausschuss grundsätzlich begrüßt – zentral dabei ist auch die geplante dezentrale Gesundheitsdateninfrastruktur mit einer zentralen Datenzugangs- und Koordinierungsstelle. Diese soll als Forschungsdatenzentrum (FDZ) beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte angesiedelt sein. Gegen den Plan, dass Kranken- und Pflegekassen künftig Versicherten auf Basis der Abrechnungsdaten individuelle Hinweise geben dürfen, liefen die Sachverständigen in der Bundestagsanhörung Sturm.

Vertreter der Krankenkassen TK und Barmer verteidigten als Sachverständige die geplante Auswertung der Abrechnungsdaten. Es diene der besseren Versorgung, wenn beispielsweise über die Rückrufe von Arzneimittel-Chargen informiert werde. Laut dem Einzelsachverständigen Ferdinand Gerlach hatte es im Jahr 2022 insgesamt 170 Chargenrückrufe gegeben. Auch könnten die Kassen über unvollständige Impfungen informieren oder wichtige Hinweise für Schwangere und Diabetiker geben. Der BKK-Dachverband wies darauf hin, dass die Datenanalyse dazu beitragen könne, Pflegerisiken zu vermeiden. Dem stimmte auch Ulrike Elsner vom Verband der Ersatzkassen (vdek) bei. Weitgehend unbekannt sei beispielsweise, dass ein Risiko für Schwangerschaftsdiabetes nach der Geburt fortbestehe, daher sei eine Empfehlung zur Nachsorge wichtig.

Scharfe Kritik hingegen kam vom Verbraucherzentrale Bundesverband. Die Weiterverarbeitung der Gesundheitsdaten von Versicherten durch ihre Kranken- und Pflegekassen bedürfe ihrer ausdrücklichen Einwilligung. Diskriminierung und Datenmissbrauch müssten mit "strengen Strafen" sanktioniert werden, die abschreckend wirken sollten. Es sollte klargestellt werden, dass Betroffenen einen Anspruch auf "spürbaren" Schadensersatz geltend machen können.

Strikte Ablehnung kam auch von der Psychotherapeutenkammer. Die Leistungsempfehlungen der Kranken- und Pflegekassen sei ein systemfremder und fachlich nicht zu rechtfertigender Eingriff in die Kompetenz von Psychotherapeuten und Ärzten. Diese würden auf Grundlage einer individuellen Diagnostik über Behandlungen entscheiden. Die Empfehlungen würden die Trennung von Versicherung und Versorgung aufheben und könnten das Patientenwohl gefährden. Aus den Reihen von Psychotherapeuten ist die Kritik zu hören, dass Kassen auf die Versicherten in Sachen Krankentagegeld immer wieder Druck ausübten. Unter anderem sei empfohlen worden, bestehende Arbeitsverträge zu kündigen.

Die Bundesärztekammer (BÄK) stellte fest, dass aus den Abrechnungsdaten keine validen Aussagen zur Früherkennung seltener Erkrankungen, Krebsrisiken oder schwerwiegenden Gesundheitsgefährdungen abgeleitet werden könnten. Die individuellen Hinweise der Krankenkassen könnten Patienten und Ärzte gleichermaßen verunsichern. Zunächst solle in Pilotprojekten geprüft werden, ob diese Datenauswertung sinnvoll sei.

Die BÄK schlug außerdem vor, dass kommerziell forschende Unternehmen ein Entgelt für den Zugang zu den Gesundheitsdaten zahlen müssten, damit Dateninfrastruktur nicht nur aus Beitragsmitteln der Versicherten finanziert werde. Ein Vertreter der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände lehnte die individuellen Empfehlungen durch die Kassen als "nicht sinnvoll" ab. Er wies darauf hin, dass die Abrechnungsdaten nicht den Datenbeständen in der elektronischen Patientenakte (ePA) entsprechen würden. Daraus entstünden abweichende, möglicherweise irreführende Ergebnisse, die den Versicherten entgegengehalten würden.

Laut Interoperabilitätsexpertin Silvia Thun müssten Daten im Gesundheitswesen evidenzbasiert und "in Algorithmen erklärbar" sein. Datenbasierte Medizin sei aber nicht per se evidenzbasiert. Sie betonte, dass der Algorithmus überprüfbar und "bei den Behandlern sein müsse – und nicht nur bei denjenigen, die irgendwo anders lokalisiert" sind. Behandelnde Ärzte müssten so auf das System zugreifen können, dass sie den Algorithmus verstehen können, um die Ergebnisse richtig einordnen zu können. Mit Blick auf die geplanten Empfehlungen durch Krankenkassen sagte Thun: "Wir haben hier eine Informationssymmetrie zwischen Krankenkassen und Ärzten. Das dürfen wir nicht zulassen, wenn wir mal fünf Jahre weiterdenken."

(mack)