Elektronische Patientenakte für alle kommt 2025

Neben dem Digitalgesetz wurde heute auch das Gesundheitsdatennutzungsgesetz beschlossen, um den Weg für die Digitalisierung im Gesundheitswesen zu ebnen.

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(Bild: PopTika/Shutterstock.com)

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Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will verschiedene Gesetze auf den Weg bringen, um die Digitalisierung des Gesundheitswesens voranzubringen. Deutschland sei im Gesundheitswesen noch ein "Entwicklungsland". Entwürfe für das Gesundheitsdatennnutzungsgesetz (GDNG) und das Digitalgesetz (PDF) wurden nun im Kabinett beschlossen. Diese gelten laut Bundesgesundheitsministerium als "Fundament digitaler Versorgung und Forschung im Gesundheitswesen". Mit dem Digitalgesetz soll für gesetzlich Versicherte unter anderem die elektronische Patientenakte (ePA) ab dem 15. Januar 2025 und die flächendeckende Einführung des elektronischen Rezepts (E-Rezept) in 2024 kommen. Doch auch die privaten Krankenversicherungen stehen einer Opt-out-Lösung bei der ePA offen gegenüber.

"Patienten sollen sich darauf verlassen können, dass ihre Gesundheitsdaten überall sicher genutzt werden, um sie besser zu versorgen. Und Wissenschaftler sollen sicher sein, dass sie in Deutschland die beste Voraussetzung für ihre Forschung bekommen", sagte Lauterbach. Außerdem kündigte er ein Medizinforschungsgesetz an, wodurch er sich vor allem schnellere Fortschritte in der Krebs- und Demenzforschung erhofft. Sein Wunsch: "Dass wir KI – am besten 'Made in Germany' – einsetzen, um in der Entwicklung von Arzneimitteln und Medizinprodukten wieder spitze zu werden." Zudem sollen Telemedizin und Digitale Gesundheitsanwendungen besser in die aktuelle Gesundheitsversorgung integriert werden.

Da bisher erst etwa ein Prozent der 74 Millionen Versicherten eine ePA haben, soll sie 2025 zum Standard werden. Wer sie nicht will, muss widersprechen. Da es für diese Opt-out-Variante der ePA auch viel Kritik bezüglich möglicher Umstände beim Widerspruch gab, sieht das Digitalgesetz auch ein niedrigschwelliges Widerspruchsverfahren vor. Zudem können Versicherte innerhalb von sechs Wochen vor dem Anlegen der ePA widersprechen, das geht allerdings auch nachträglich. Dazu müssen die Krankenkassen umfassend informieren. Kassenärzte hingegen sehen bezüglich der – optional auch aus der ePA – geplanten Datenweitergabe das Vertrauen in die ärztliche Schweigepflicht in Gefahr.

Ein Vorteil der ePA ist, dass sie mit einem integrierten Medikationsplan künftig auch Wechselwirkungen von Medikamenten erkennen kann. Zudem sollen Mehrfachuntersuchungen vermieden werden, da die Daten zentral in der ePA liegen und Versicherte Ärzten Freigaben auf die Daten erteilen können. Bei Kassenwechsel lassen sich die Daten mitnehmen, das gestaltet sich je nach Krankenkasse unterschiedlich. Ein bei der künftigen Gesundheitsagentur angesiedelter Digitalbeirat, der unter anderem mit Vertretern des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), der Medizin und Ethik besetzt sein wird, soll die Gematik beraten.

Grundsätzliche Kritik von Datenschützern zur ePA wird bereits laut, da beide Schlüssel für die digitale Patientenakte in der Telematikinfrastruktur an zwei verschiedenen Orten bei verschiedenen Dienstleistern liegen sollen. In Zukunft sollen die Daten aus der ePA nach einer Forschungsfreigabe des Versicherten an das beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) angesiedelte Forschungsdatenzentrum (FDZ) übermittelt und von einer ebenfalls dort angesiedelten zentralen Datenzugangs- und Koordinierungsstelle die Gesundheitsdaten verwaltet werden. Ein Widerspruchsrecht ist bisher nicht vorgesehen. Dafür hagelte es bereits Kritik – eine entsprechende Klage wurde auf ruhend gestellt und wird Ende 2023 weitergeführt.

In Stellungnahmen von Verbraucher- und Datenschützern und weiteren Beteiligten, wie dem höchsten Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung in der Medizin, gab es bereits Kritik für das GDNG. Umstritten ist etwa, dass Krankenkassen Versicherten Behandlungen vorschlagen dürfen. Mit dem GDNG will Lauterbach "bürokratische Hürden abbauen und den Zugang zu Forschungsdaten erleichtern". Künftig sollen die Daten über die beim BfArM angesiedelte zentrale Anlaufstelle verknüpft werden. Forschende können dann Anträge stellen, um die Daten verwenden zu können. Für die Antragsberechtigung soll vor allem der gemeinwohlorientierte Zweck der Datennutzung ausschlaggebend sein.

Dass Daten ohne Einwilligung an die Forschung übermittelt werden sollen, stößt auch bei dem Vorsitzenden der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, auf Kritik. Er geht davon aus, dass das Gesetzesvorhaben vor Gericht scheitere, wenn es nicht nachgebessert wird: "Schweigen bedeutet nicht Zustimmung. Die Bundesregierung wischt mit den Digitalgesetzen alle Bedenken weg. Ohne Not wird so die Skepsis in der Bevölkerung bei der elektronischen Patientenakte befeuert, obwohl die Einführung für Patientinnen und Patienten wichtig ist." Es dürfe "keine Weitergabe von medizinischen Daten ohne Einwilligung an die Forschung erfolgen".

Zudem würden Menschen abgehängt, die keinen Internetzugang haben. "Für die Einsicht, individuelle Anpassung und Datenpflege müssen die niedergelassenen Praxen, die Krankenhäuser und die Krankenkassen zuständig sein", forderte Brysch. Zudem müsse die wissenschaftliche Forschung ihre Forschungsergebnisse transparent machen und "unliebsame Erkenntnisse" ebenfalls veröffentlichen. Auch der Leiter der Stiftung für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), Thomas Kaiser, hält es für problematisch und inakzeptabel, wenn Unternehmen mit dem GNDG Zugriff auf Forschungsdaten erhalten und ihre Daten anschließend mit dem Argument des Geschäftsgeheimnisses nicht zur Verfügung stellen wollen.

Die FDP-Fachpolitikerin Christine Aschenberg-Dugnus gewinnt den Gesetzen laut dpa etwas Positives ab: "Deutschland ist durch die jahrzehntelange Vernachlässigung in der Digitalisierung des Gesundheitswesens weit abgeschlagen". Dabei sei sie auch eine Antwort auf große Herausforderungen wie Kostenexplosion, Fachkräftemangel und die Versorgung auf dem Land. Der AOK Bundesverband erwartet, dass "nach Jahren der Stagnation und des Durchwurschtelns" die E-Patientenakte zur Massenanwendung wird. Sie könne sich zu einer relevanten Plattform für den Austausch von Gesundheitsdaten entwickeln, sagte die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, Carola Reimann.

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Ergänzt, dass die privaten Krankenversicherungen einer Opt-out-Lösung ebenfalls offen gegenüberstehen.

(mack)