Endlich ohne Brille oder Kontaktlinsen: Was gegen Kurzsichtigkeit helfen soll

Eine Behandlungsmethode mit schwachem Rotlicht zeigt bei stark kurzsichtigen Kindern vielversprechende Ergebnisse. Sie könnte den Trend zur Myopie umkehren.

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Augen und Nase eines Kindes, das eine Brille trägt.

(Bild: Iren_Geo/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.

Etwa die Hälfte der Menschheit wird gegen Mitte des Jahrhunderts kurzsichtig sein, schätzte eine australische Studie bereits 2016. Seitdem hat die Corona-Pandemie das Problem noch weiter verschärft. Doch jetzt ist eine neue Behandlungsmethode in Sicht, die zumindest bei Kindern den Trend umkehren könnte.

Kurzsichtigkeit (Myopie) entsteht in der Regel, weil der Augapfel in der frühen Kindheit den richtigen Zeitpunkt verpasst hat, mit dem Wachsen aufzuhören. Ab da gibt es kein Zurück mehr. Und bei starker Kurzsichtigkeit – ab etwa -5 Dioptrien – besteht eine erhöhte Gefahr von Netzhautablösungen, Makula-Degeneration, Glaukomen und schwerer Katarakte. Die wirksamsten Behandlungen sind einer Metastudie zufolge das Medikament Atropin sowie nachts getragene Kontaktlinsen, welche die Form der Hornhaut korrigieren. Allerdings sei ihre Wirkung relativ schwach und nicht nachhaltig, sagte Katherine Weise von der University of Alabama gegenüber dem New Scientist.

Warum genau der Augapfel weiterwächst, ist noch offen. Klar ist jedoch: Es besteht ein Zusammenhang mit der in geschlossenen Räumen verbrachten Zeit. 2010 beschloss Taiwan deshalb, täglich zwei Stunden Outdoor-Aktivität in den Stundenplan von Schulkindern zu schreiben. Eine Langzeitstudie von 2001 bis 2015 stellte daraufhin tatsächlich fest, dass die Quote der Kurzsichtigen leicht zurückgegangen ist.

Aber Korrelation ist noch keine Kausalität. Was genau ist die tiefere Ursache? Eine Erklärung: Bleiben Kinder zu Hause, blicken sie viel auf Computer- oder Smartphone-Bildschirme. Entsprechend lange müssen sich ihre Augen auf kurze Distanzen fokussieren, während sie im Freien in die Ferne schweifen können. Eine andere Erklärung: Draußen ist es einfach heller – und Licht ist ein wichtiger Signalgeber.

Das passt zu einer in den letzten Jahren aufgekommenen Erklärung für Myopie: Schuld sind demnach Störungen bei den On- und Off-Zellen der Retina, die dafür zuständig sind, Kontraste zu erkennen. Werden On-Zellen von hellem Licht stimuliert, regen sie die Ausschüttung von Dopamin an, das möglicherweise als Stopp-Signal für das Wachstum des Augapfels dient. Mäuse zumindest werden kurzsichtig, wenn ihr On-Pfad blockiert wird. Dieser gesamte Mechanismus sei bisher allerdings nur eine Theorie, die durch weitere Forschung überprüft werden müsse, sagte Machelle Pardue von der Emory University gegenüber dem New Scientist.

Erste Therapie-Ansätze, die sich Licht zunutze machen, gibt es trotzdem schon – zum Beispiel die Repeated Low-Level Red Light Therapy. Dabei bestrahlt Laserlicht mit einer Wellenlänge von 650 Nanometern und einer Stärke von 1600 Lux zweimal täglich drei Minuten lang die Netzhaut. Eine im November 2024 veröffentlichte Studie chinesischer Forschender an 192 stark kurzsichtigen Kindern zwischen sechs und 16 Jahren ergab, dass die Rotlicht-Behandlung nach einem Jahr im Schnitt zu einer Verkürzung des Augapfels von 0,06 Millimetern geführt hat. Das klingt nach wenig, aber in der Kontrollgruppe wuchs der Augapfel im selben Zeitraum stattdessen um 0,34 Millimeter. Bei mehr als der Hälfte der Versuchsgruppe war auch ein Jahr nach Ende der Behandlung noch eine deutliche Verkürzung des Augapfels nachweisbar.

Möglicherweise lassen sich die Ergebnisse noch verbessern, indem man Parameter wie Wellenlänge, Bestrahlungsdauer und -intensität optimiert. Diese Methode wirkt allerdings nur während der Wachstumsphase. Wer bereits kurzsichtig ist, muss wohl weiterhin zu Brillen, Kontaktlinsen oder Operationen greifen.

Dieser Beitrag ist zuerst bei t3n.de erschienen.

(mack)