"Energiepolitisches Desaster": Bund wird Lose für Windkraftanlagen nicht los

Die bereits deutlich reduzierte Ausschreibung der Bundesnetzagentur für Windenergieanlagen an Land war im Dezember das dritte Mal in Folge "unterzeichnet".

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(Bild: GLF Media/Shutterstock.com)

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Der Ausbau der erneuerbaren Energien kommt trotz vieler Bemühungen der Ampel-Koalition vor allem im Bereich Windkraft nicht wirklich voran. Das zeigen die Zahlen für die vierte Ausschreibungsrunde 2022 für Wind an Land an, die die Bundesnetzagentur am Dienstag veröffentlicht hat. Demnach gingen zum Gebotstermin 1. Dezember nur 14 Angebote für insgesamt 189,45 Megawatt (MW) Windenergieleistung ein. Die Ausschreibung war zudem schon das dritte Mal in Folge "unterzeichnet". Sprich: Der Bund ist die angebotene Leistungssumme nicht vollständig losgeworden.

Die Bundesnetzagentur erwartete angesichts der gemeldeten teilnahmeberechtigten Genehmigungen bereits ein Überangebot. Sie hatte deshalb im Vorfeld das Ausschreibungsvolumen dieses Gebotstermins bereits von 1190 MW auf 604 MW reduziert. Auch die aktuelle Ausschreibungsrunde für Solaranlagen auf Gebäuden und Lärmschutzwänden war erneut deutlich unterzeichnet. Die Bundesnetzagentur konnte hier 56 Gebote mit einem Volumen von 105 MW einen Zuschlag erteilen – bei einem fast doppelt so hohen Ausschreibungsvolumen von 202 MW.

Die Teilnahme am Ausschreibungsverfahren ist seit 2017 grundsätzlich die Voraussetzung dafür, dass Anlagenbauer eine Vergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) erhalten könnten. In diesem Rahmen geben Interessenten eine zu installierende Leistung für eine oder mehrere immissionsschutzrechtlich genehmigte Anlagen ab. Bei den Auktionen gewinnt derjenige, der die geringste Fördersumme pro Kilowattstunde fordert. So soll das Fördervolumen möglichst gering gehalten werden.

Der Ansatz funktioniert aber nicht richtig. 2022 schrieb die Bundesnetzagentur ursprünglich insgesamt 5158 MW Windenergieleistung aus. Das sind zwar fast 1000 MW mehr als 2021. Einen Zuschlag konnte er aber nur für gut 3200 MW erteilen. Das ist etwas weniger als 2021. In fünf Jahren seit der Einführung der Auktionen seien damit 27 Runden durchgeführt worden, rechnet das Science Media Center vor. 19 davon seien unterzeichnet gewesen. Damit sei der tatsächliche Ausbau von Windrädern selbst hinter den Plänen der großen Koalition deutlich zurückgeblieben. Laut der Ampel solle 2023 sogar eine Summe von rund 12.800 MW Windenergieleistung Abnehmer finden, mehr als doppelt so viel wie dieses Jahr.

Uwe Leprich, Ex-Abteilungsleiter beim Umweltbundesamt, bezeichnete das Ergebnis des Verfahrens als "energiepolitisches Desaster". Als Hauptgrund dafür machte er eine "systematisch verbreitete und zum Teil aktiv geschürte Grundstimmung in einflussreichen Kreisen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft" aus, "dass die Windkraftnutzung ein Projekt grüner Weltverbesserer und Umweltromantiker sei". Extrem lange Antrags- und Genehmigungsverfahren, eine regelrechte Gutachteninflation sowie notorische Klagen vor den Verwaltungsgerichten seien die Folge gewesen.

Leprich rät, den Arten- und Denkmalschutz klar einzugrenzen. Genehmigungsverfahren müssten digitalisiert und beschleunigt werden. Angesichts der exorbitanten Preissteigerungen an der Strombörse sollte das Marktprämienmodell zudem nach oben gedeckelt, die Vergütung also symmetrisch gestaltet werden. Leprich lobte, dass Bürgerenergiegesellschaften bei Windparks unter 18 MW mit der jüngsten EEG-Novelle nicht mehr ins Ausschreibungsverfahren müssen.

Eine Einspeisevergütung lohne sich eher für kleine Projekte als die Teilnahme an einer Auktion, erklärte Moritz Vogel vom Öko-Institut. Bei dem aktuell hohen Preisniveau könne auch der Zubau von Anlagen außerhalb des Ausschreibungsmechanismus attraktiv sein, berichtete der Energiewirtschaftler Felix Müsgens. Letztlich benötigten alle Akteure im Energiesystem Planungssicherheit. Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, kündigte an: "Wir schaffen aktuell neue Rahmenbedingungen für erfolgreichere Ausschreibungen im nächsten Jahr." Man werde baldmöglichst die vom Bundestag beschlossenen Festlegungskompetenzen im Bereich der Höchstwerte nutzen.

(olb)