Energiewende: Schleswig-holsteinischer Minister fordert mehr Smart Meter

Jan Philipp Albrecht, Ressortchef für Energiewende und Digitalisierung, wirbt für eine stärkere intelligente Steuerung von Netzen und der Erneuerbaren.

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Das Podium (v.l.n.r.): Jan Philipp Albrecht, Michael von Röder, Valentina Daiber, Jörg Steinbach und Annika Rittmann

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Für eine stärkere Digitalisierung zum Beflügeln der Energiewende setzt sich Jan Philipp Albrecht ein, der als Minister in Schleswig-Holstein für diese beiden Bereiche zuständig ist. "Wir brauchen das Management eines Netzes, das mit 100 Prozent Erneuerbaren läuft, intelligent speichert, verteilt und umleitet", erklärte der Grüne am Dienstag bei den 20. "Tagesspiegel Data Debates" im Telefónica-Basecamp in Berlin. Dies sei nötig, "damit Energie zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort ist".

Ein wichtiger Bestandteil dafür seien Smart Meter. Deutschland habe bereits entsprechende Projekte zur intelligenten Steuerung von Netzen und für das Einspeisemanagement etwa von Wind- und Solarkraft aufgesetzt, führte Albrecht aus. Damit werde es prinzipiell möglich, Verbräuche vorausschauend zu planen. Intelligente Stromzähler seien nun gefragt, um die Verbraucher einbeziehen zu können.

Generell erfordere die Energiewende einen "Riesen-Kraftakt", wofür der Infrastrukturausbau deutlich beschleunigt werden müsse, betonte der Ressortleiter. Schleswig-Holstein sei hier schon recht weit, steige noch in diesem Monat komplett aus Atomstrom und bis 2025 aus der Kohle aus. Das sei machbar: "Es geht keine Lampe aus", versicherte Albrecht. Dabei helfe "auch die Digitalisierung".

Einem Energiewende-Index zufolge sind hierzulande bei 17 Prozent der Bevölkerung Smart Meter installiert. Intelligente Stromzähler und die zugehörigen Schnittstellen gelten als Schlüsselbaustein für die Kontrolle und Abrechnung dezentraler Flexibilitätsoptionen wie Fotovoltaik-Anlagen auf dem Dach. Skandinavische Länder sowie Italien und Spanien haben bereits eine Durchdringungsquote von über 97 Prozent erreicht.

Vorgeschrieben ist der Einsatz eines Smart-Meter-Gateways in der Deutschland derzeit für Haushalte mit einem Jahresstromverbrauch von über 6000 kWh, was meist mit fünf oder mehr Personen erreicht sein dürfte. Über die Hälfte der Deutschen will laut einer aktuellen Umfrage keinen Smart Meter.

Dass Schleswig-Holstein stark auf die Erneuerbaren setzen könne, funktioniere nur, weil es ins europäische Verbundnetz integriert sei, gab Michael von Roeder als Vertreter der Übertragungsnetzbetreiber Elia Group und 50Hertz Transmission zu bedenken: "Es hilft keinem was, wenn der Strom grün ist, aber nicht aus der Steckdose kommt." Anderen Länder stiegen nicht gleichzeitig aus der Kernkraft und Kohle aus. Albrecht pflichtete er aber in einem anderen Punkt bei: "Wir brauchen Smart Meter überall, kostengünstig und schnell." Stromnetze müssten zudem dringend ausgebaut und digitalisiert werden.

Die Bundespolitik sollte rasch die nötigen rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen für die Energiewende schaffen, verlangte der brandenburgische Minister für Wirtschaft und Energie, Jörg Steinbach. Kernaufgabe sei die von der Ampel-Koalition geplante Planbeschleunigung, die die neue Bundesregierung in ihrem ersten Jahr umsetzen müsse. Aktuell sei es eine Katastrophe, dass etwa das Genehmigungsverfahren für die Übertragungsnetzleitung Uckermark seit 16 Jahren laufe. Beim Breitbandausbau sei es ähnlich. Als "Treppenwitz" bezeichnete der SPD-Politiker ein Urteil des nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgerichts, wonach Smart Meter gar nicht eingesetzt werden dürften. Der Bundestag bemühte sich bereits mit einem Zusatz zum verschärften Klimaschutzgesetz, hier mehr Rechtssicherheit zu schaffen.

Generell ist Grünstrom laut Steinbach gefragt: "Unternehmen wollen kommen, weil wir einen hohen Anteil an Erneuerbaren haben." Berichten zufolge musste ein Kreis in Brandenburg Google jüngst abweisen. Der Konzern wollte ein Rechenzentrum mit Erneuerbaren im Berliner Umland betreiben. Die Wasserversorgung ist aber bereits mit dem nahen Tesla-Werk in Gefahr.

Wind- und Sonnenkraft seien schon jetzt deutlich günstiger als die fossilen Energien, hob Annika Rittmann, Sprecherin von Fridays for Future, hervor. Die Bundesregierung müsse daher endlich aufhören, letztere zu subventionieren. Sie bedauerte, dass nach wie vor kein Plan vorliege, wie die Exekutive das 1,5-Grad-Ziel einhalten wolle. Der Aktivistin zufolge ist es aber falsch, die Verantwortung dafür auf die Grünen zu schieben. Angesichts der "größten Menschheitskrise" sei Klimaschutz auch eine Aufgabe von FDP und SPD und sollte im demokratischen Dialog vorangetrieben werden. Die Politik müsse jetzt sagen: "Es wird unangenehm, aber wir können es schaffen." Der Stromverbrauch werde mit der Digitalisierung hochgehen. Jeder einzelne sollte sich daher fragen, ob er "Schnickschnack" wie das Anwerfen der Heizung übers Smartphone 15 Minuten vor Ankunft brauche.

"Verzicht gehört sicherlich dazu", meint auch Valentina Daiber aus dem Vorstand von Telefónica Deutschland. Insgesamt werde die Digitalisierung die Energiewende aber unterstützen. 5G etwa werde "einen Riesenbeitrag leisten". Der neue Mobilfunkstandard ermögliche intelligente Stromnetze und datengetriebene Geschäftsmodelle wie Smart Citys und eine bessere Verkehrssteuerung, die CO₂-Emissionen verringerten. Bei Telefónica fuße der Netzbetrieb zu 100 Prozent auf Grünstrom. Die verbleibenden vier Prozent des Stromverbrauchs etwa für Herstellung, Logistik und Vertrieb wolle man bis 2025 klimaneutral bekommen.

(kbe)