Entlastungspaket soll Weichen auf dem Energiemarkt und im ÖPNV stellen

Wenn das dritte Entlastungspaket so kommt wie angekündigt, würde es zwei Neuerungen mit sich bringen: eine Übergewinnsteuer und ein bundesweites ÖPNV-Ticket.

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Bundeskanzler Olaf Scholz stellt zusammen mit dem Grünen-Vorsitzenden Omid Nouripour (l.), FDP-Chef Christian-Lindner und SPD-Chefin Saskia Esken das dritte Entlastungspaket vor.

(Bild: Phoenix)

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Das vom Koalitionsausschuss beschlossene dritte Entlastungspaket würde zwei Konsequenzen mit sich bringen, die es bisher so in Deutschland nicht gegeben hat: Eine vormals "Übergewinnsteuer" genannte "Zufallsgewinnsteuer" für Energieunternehmen und ein bundesweit einheitliches Ticket für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Sie klingen revolutionär, sind aber noch an Eventualitäten geknüpft.

Zu einem bundesweiten ÖPNV-Ticket ist die Bundesregierung bereit, jährlich 1,5 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung zu stellen. Die Länder müssten mindestens den gleichen Betrag zur Verfügung stellen. Dabei sieht die Regierung als ein "preislich attraktives Ticket" eines an, das 49 bis 69 Euro im Monat kosten würde. Für das Neun-Euro-Ticket, das von Juni bis August galt, hatte der Bund den Ländern zusätzlich 2,5 Milliarden Euro gegeben.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), der momentan der Ministerpräsidentenkonferenz vorsitzt, sagte dazu laut dpa, es gebe noch viele offene Fragen. Wenn die Länder mit bezahlen sollten, müssten sie auch mit entscheiden können. Allerdings ist mit Widerstand aus Baden-Württemberg zu rechnen, wo der Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Verkehrsminister Winfried Hermann (beide Grüne) bereits angedeutet hatten, sich nicht oder nur unter bestimmten Umständen an einem Nachfolger für das Neun-Euro-Ticket beteiligen zu wollen.

Am Wochenende erneuerte Hermann seine Ansicht, ein bundesweit gültiges, einfaches und preiswertes Ticket sei gut, wenn zugleich die Basisfinanzierung des ÖPNV, die Regionalisierungsmittel, erhöht würden. Die Fahrgäste würden sonst in einen ÖPNV gelockt, der wegen drastischer Kostensteigerungen abgebaut werden müsse.

Auch der Sozialverband VDK plädiert bedingt für ein günstiges ÖPNV-Ticket. Es würde Menschen helfen, die wenig Geld haben, mobil zu bleiben. "Allerdings darf das nicht auf Kosten des barrierefreien Ausbaus des ÖPNV gehen", teilte der VDK mit.

Insgesamt findet der VDK das dritte Entlastungspaket mit seinem Umfang von 65 Milliarden Euro "beeindruckend". Es sei richtig und sinnvoll, dass die Regierung Zufallsgewinne abschöpfen wolle, um mit diesen ein vergünstigtes Kontingent an Basis-Strom zu finanzieren. Wichtig und gut sein, den Strom- von dem Gaspreis zu entkoppeln.

Die Bundesregierung erläutert in dem Beschluss des Entlastungspakets (PDF-Datei), da der jeweils höchste erzielbare Preis auf dem Energiemarkt den Preis für alle Erzeugungsarten bestimme, würden die Strompreise vom hohen Gaspreis getrieben. Dadurch fielen Energieunternehmen erhebliche Mehreinnahmen zu.

Die EU-Kommission habe vor, diese Schieflage auf dem Strommarkt zu korrigieren. Die Bundesregierung wolle auf die EU-Kommission einwirken, "Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Abschöpfung von Zufallsgewinnen auch für Energieunternehmen außerhalb des Strommarktes" zu entwickeln. Sollten diese und andere Vorkehrungen im Strommarkt nicht schnell genug entstehen, wolle die Bundesregierung eigenständig handeln. Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil sagte im ZDF-Morgenmagazin, die "Zufallsgewinnsteuer" werde rechtlich Bestand haben.

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Der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, kritisierte in der Rheinischen Post, der "Begriff der Zufallsgewinne ändert nichts an der ordnungspolitischen Fragwürdigkeit". Alles in allem sei das eine vage Lösung, deren Volumen und Wirkung unklar bleibe.

In Sachen Zufalls- oder Übergewinnsteuer bleibe die Bundesregierung "nebulös", kritisiert die Bundestagsfraktion der Linken, und weiter: "Das Gleiche gilt für die läppischen 1,5 Milliarden, die für eine Nachfolge des 9-Euro-Tickets vorgesehen sind."

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Der CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Spahn meinte im ZDF daraufhin, das Entlastungspaket lese sich eher wie ein Arbeitsprogramm für die Regierung als ein Sofortprogramm. Die vorgesehene Strompreisbremse sei gut, aber niemand wisse, ab welchem Preis sie greife. Zum ÖPNV-Ticket beschreibe die Regierung nur, sie wolle etwas tun. Klingbeil erwiderte darauf, es handele sich um Entlastungen, die schnell umgesetzt würden. Die Strompreisbremse werde nun schnell im Bundeswirtschaftsministerium entwickelt.

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz sagte im "Sommerinterview" der ARD am Sonntag, das Entlastungspaket enthalte viele wichtige Punkte. Es fehle aber etwas Entscheidendes, nämlich die Antwort darauf, woher in nächster Zeit der Strom kommen solle. Die Regierung sei nicht auf den "Angebotsschock" eingegangen, der auf dem Energiemarkt eingetreten sei. In dieser Situation müssten alle Energiearten herangezogen werden, auch die noch laufenden Atomkraftwerke. (anw)