Neun-Euro-Ticket: 52 Millionen bundesweite ÖPNV-Tickets gekauft

Die Verkehrsbetriebe resümieren, das 9-Euro-Ticket sei ungebrochen populär. Hauptgrund sei der Preis, für Neukunden auch wichtig, aufs Autofahren zu verzichten.

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Passagiere steigen am Bremer Hauptbahnhof in einen Regionalzug.

(Bild: heise online / anw)

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Vom Juni bis Ende August wurden 52 Millionen Neun-Euro-Tickets verkauft. Das hat der Verband der deutschen Verkehrsbetriebe (VDV) am Montag in einer Pressekonferenz bekannt gegeben, zu der deren Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff wegen Verspätungen im Bahnverkehr gerade mal rechtzeitig eintraf. Hinzu kommen nach Angaben des VDV gut 10 Millionen Menschen, die das Ticket jeweils monatlich über den Aktionszeitraum erhalten haben.

10 Prozent der Fahrten mit dem 9-Euro-Ticket wären sonst mit dem Pkw unternommen worden, erläutert der VDV. Insgesamt liegt der Anteil der aus anderen Verkehrsmitteln verlagerten Fahrten bei 17 Prozent. Das hat der VDV nach eigenen Angaben in einer Umfrage unter 6000 Personen im Alter ab 14 Jahren festgestellt.

Der Preis des Tickets war in der Umfrage insgesamt der meistgenannte Grund, es zu kaufen. Unter Neukunden war der Preis für 56 Prozent das Hauptargument für den Kauf, 43 Prozent nannten als Kaufgrund, aufs Autofahren verzichten zu können. Auch seien die Flexibilität und die bundesweite Gültigkeit als wichtige Kaufargumente genannt worden, teilte der VDV mit. Mitte August hatte in einer VDV-Umfrage knapp die Hälfte der Befragten angegeben, ein Neun-Euro-Ticket zu besitzen.

Unter den Befragten, die das Ticket nicht gekauft haben, sind Hauptgründe gegen den Kauf des 9-Euro-Tickets fehlende Nutzungsanlässe (37 Prozent), die Vorliebe fürs Auto (35 Prozent) und umständliche Verbindungen (33 Prozent). Für Menschen im ländlichen Raum dominieren als Gründe dafür, das Ticket nicht gekauft zu haben, umständliche Verbindungen, Taktung, Fahrtdauer und Entfernung zur Haltestelle. Auf dem Land sind die Verkaufszahlen etwa halb so hoch wie in städtischen Gebieten.

Parallel zur Umfrage hat der VDV einschätzen lassen, wie viele schädliche Klimagase in den drei Monaten des 9-Euro-Tickets eingespart wurden: Auf Grundlage der vom Pkw auf Busse und Bahnen verlagerten Fahrten hat das Ticket demnach rund 1,8 Millionen Tonnen CO₂ eingespart. Das wäre nach Angaben von Wolff so viel CO₂, wie ein Jahr Tempolimit auf Autobahnen bringen würde.

Anfang Oktober sollen die Vertriebssysteme auf die ab Januar 2023 geltenden Tarife umgestellt werden. Vor diesem Hintergrund schlug Wolff vor, den kommenden Monat zu nutzen, um spätestens bis dahin gemeinsam eine für die Verkehrsunternehmen wirtschaftliche und für die Fahrgäste attraktive Lösung zu erarbeiten.

Die Führung der SPD-Fraktion im Bundestag sieht für ein kommendes Entlastungspaket ein bundesweites ÖPNV-Ticket vor, das monatlich 49 Euro kosten soll. Das berichtet das Hauptstadtstudion der ARD.

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Die Aktion sollte neben dem Tankrabatt Pendler angesichts hoher Energiepreise entlasten, wie die Bremer Verkehrssenatorin Maike Schaefer (Grüne), zurzeit Vorsitzende der Länder-Verkehrsministerkonferenz, am Montag noch einmal betonte. Ein Erfolg sei das Neun-Euro-Ticket aber nur, wenn es eine Nachfolgeregelung gebe, wie die Verkehrsministerkonferenz am Freitag über alle Parteien hinweg betont hätten. Zudem müsse auch die Infrastruktur verbessert werden. Wenn der Bund nicht Geld zum ÖPNV hinzugebe, würde der ÖPNV voraussichtlich wesentlich teurer werden. Am 19. September solle in einer außerordentlichen weiteren Verkehrsministerkonferenz darüber gesprochen werden.

Zudem sollte das Ticket Werbung für einen Umstieg auf Busse und Bahnen machen. Studien während des Aktionszeitraums wiesen zunächst aber nur einen leichten Verlagerungseffekt aus. Der Interessenverband Agora Energiewende war nach ersten Erkenntnissen davon ausgegangen, dass es durch das Billigticket zwar mehr Menschen im ÖPNV gegeben habe, aber nicht weniger CO₂ produziert wurde.

Laut Umfragen des DLR-Instituts für Verkehrsforschung unter 2500 Menschen im Alter ab 18 Jahren hat das 9-Euro-Ticket für einen ähnlichen Effekt wie die Coronavirus-Pandemie gesorgt, nur umgekehrt. Der ÖPNV sei also wiederbelebt worden. Für die Deutsche Bahn war am Sonntag besonders erfreulich sei, dass in den zurückliegenden drei Monaten im Regionalverkehr durchschnittlich etwa zehn Prozent mehr Fahrgäste unterwegs gewesen seien als vor der Coronakrise.

Der Geschäftsstellenleiter der Eisenbahnergewerkschaft EVG in Nürnberg, Matthias Birkmann, rückte die Bahn-Beschäftigten in den Mittelpunkt. Es sei in den vergangenen Monaten extremen Belastungen ausgesetzt gewesen, heißt es in der Augsburger Zeitung. "Unser Ziel ist ein preiswerter sowie qualitativ hochwertiger ÖPNV für alle – aber nur zu fairen Bedingungen für die Beschäftigten." Langfristig sei ein Gratis-Nahverkehr denkbar. Zuvor müssten die Kapazitäten ausgebaut werden. Ein 365-Euro-Ticket könnte eine Übergangslösung sein.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing hatte hingegen behauptet, das 9-Euro-Ticket verlagere den Verkehr enorm. Die Branche vermutet auch, dass viele Fahrten ohne das günstige Ticket wohl nicht gemacht worden wären. Wissings Parteifreund Bundesfinanzminister Christian Lindner sieht keine Mittel für ein neues 9-Euro-Ticket. Der Bund hatte die dreimonatige Aktion mit 2,5 Milliarden Euro zum Ausgleich von Einnahmeausfällen bei Verkehrsunternehmen finanziert.

Angesichts des Nein aus Berlin waren Städte und Gemeinden selbst aktiv geworden, um wenigstens ein Übergangsticket anzubieten, die aber nicht bundesweit gelten. Die SPD in Berlin beispielsweise tritt für ein dortiges 365-Euro-Ticket für den dortigen Nahverkehr ein; die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hat am Freitag bereits eine Anschlusslösung ab 1. Oktober angekündigt. Aus Niedersachsen beispielsweise kam der Vorschlag für ein norddeutsches Ticket, falls der Bund nicht zahlen wolle, das monatlich 49 Euro kosten soll. Mainz will ab September aus eigenem Geld ein ganzjähriges 365-Euro-Ticket anbieten, allerdings nur für Schüler und Auszubildende, in Nürnberg läuft ein Bürgerbegehren für ein solches Ticket, das für alle gelten soll, der niedersächsische Landkreis Lüchow-Dannenberg ist ein Schritt weiter. Dort wird zum 1. September ein 365-Euro-Ticket eingeführt.

(anw)