Entwicklungsländer fordern Neuanfang bei Namens- und Nummernvergabe im Netz

Unter dem Schlagwort "Internet Governance" läuft mittlerweile eine ausufernde Debatte um Internet-Regulierung, Internet-Verwaltung, Kontrolle über die DNS-Rootserver sowie die IP-Nummernvergabe, geistiges Eigentum und die digitale Kluft.

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Von
  • Monika Ermert

Die ganze Debatte um Internet-Regulierung, Internet-Verwaltung, Kontrolle über die DNS-Rootserver sowie die IP-Nummernvergabe, geistiges Eigentum im Internet und die digitale Kluft -- neudeutsch mit dem Schlagwort "Internet Governance" zusammengefasst -- sollte schlicht auf die Neugestaltung der Vergabe von Internet-Domains und IP-Nummern reduziert werden. Das forderten heute beim zweiten Treffen der UN-Arbeitsgruppe Internet Governance (WGIG) etwa ein Vertreter der indischen Regierung; unterstützt wurde er von Vertretern Brasiliens, Chinas und Syriens.

Die UN-Arbeitsgruppe, die in der kommenden Woche ihren ersten Zwischenbericht auf dem Weg zum zweiten Weltgipfel der Informationsgesellschaft (WSIS) abliefern muss, hat sich in insgesamt 21 Papieren nicht nur den Netzverwaltungsfragen gewidmet. Auch Themen wie beispielsweise Internetkriminalität, die Probleme mit verschiedenen Sprachen und Kulturen im Netz oder das geistigen Eigentum stehen auf der Agenda der Arbeitsgruppe, die damit selbst Organisationen wie de Musikindustrieverband IFPI auf den Plan gerufen hat: Er äußerte sich besorgt über die "Copyright-feindliche Grundhaltung" des WGIG-Papiers.

Nach wie vor fehle, kritisierten zudem mehrere Regierungsvertreter, eine Definition davon, was Internet Governance eigentlich ist. "Der eigentliche Grund, warum wir hier sind, ist doch, dass einige Länder sich von einer Mitsprache bei bestimmten Netzverwaltungsfragen ausgeschlossen fühlten", sagte der indische Vertreter. Seit man den Streit aber unter dem Schlagwort Internet Governance institutionalisiert habe, würden mehr und mehr Themen in die Debatte geworfen.

Brasiliens Vertreter kritisierte, dass man Entscheidungen in der Netzverwaltung umzusetzen habe, als würde ein internationaler Vertrag mit bindender Wirkung ausgehandelt. Tatsächlich aber würden die Entscheidungen von einer Institution getroffen, die von einer einzigen Regierung geschaffen worden sei: der ICANN, die immer noch unter der Kontrolle der US-Regierung steht. Der chinesische Vertreter forderte einmal mehr, dass es gelte, eine Plattform oder einen Mechanismus für die Netzverwaltung im Rahmen der UN zu schaffen.

Andere Fragen wie Internationalisierung der Sprachen im Netz oder die Peering-Kosten würden im Übrigen an anderer Stelle schon kompetent behandelt. Um den Erhalt -- oder die Schaffung -- von Mehrsprachigkeit im Netz kümmere sich etwa die Unesco. Mit dem Peering und dem Zugang für alle beschäftige sich etwa die parallel zur WGIG eingesetzte UN-Arbeitsgruppe Finanzen. Diese stellt in Genf bereits ihren Abschlussbericht zur Diskussion, der von Seiten der Nicht-Regierungsorganisationen heftig kritisiert wurde. Die deutschen Vertreter veröffentlichten bereits einen Forderungskatalog an die Bundesregierung. Sie soll entgegen dem rein marktorientierten Ansatz der UN-Arbeitsgruppe mehr das Gemeinwohl und die daraus resultierende Verpflichtung der öffentlichen Hand betonen. Auch die beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos vom deutschen Bundeskanzler unterstützte Spekulationssteuer auf Devisengeschäfte (Tobin-Steuer) solle in die WSIS-Finanzierungsdebatte einbezogen werden.

Maßnahmen gegen eine Zementierung der digitalen Kluft allein innerhalb Europas hat gerade die EU angeregt. In einem Bericht unter dem Titel "eInclusion revisited" warnen EU-Experten, dass sich die Kluft zwischen Männern und Frauen sowie Alt und Jung beim Internetzugang zwar schließe, aber die schlecht ausgebildeten und schlecht verdienenden Bürger Europas auf Dauer ausgeschlossen zu werden drohen. Die größte Kluft bestehe in Ländern mit vergleichsweise geringer Internet-Versorgung (Griechenland, Portugal, Spanien), während Länder mit hoher Zugangsverfügbarkeit auch geschlossenere "Informationsgesellschaften" darstellten. (Monika Ermert) / (jk)