Erdgas: Speicher zu gut 80 Prozent gefüllt – keine Entwarnung

Die Gasspeicher werden "bewundernswert" schnell voll, sagt der Präsident der Bundesnetzagentur. Aber es werden wohl nicht alle Speicher voll werden.

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(Bild: Bundesnetzagentur)

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Der Füllstand der deutschen Erdgasspeicher nähert sich der 85-Prozent-Marke. Aus Daten der europäischen Gasspeicher-Betreiber geht hervor, dass der Füllstand am Sonntagmorgen 80,14 Prozent betrug; der Füllstand wird immer erst mit Verzögerung gemeldet. Allerdings geben Experten noch keine Entwarnung für einen möglichen Gas-Notstand.

"Die Gasspeicher in Deutschland werden mit einer bewundernswerten Geschwindigkeit befüllt", sagte der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, am Dienstag laut dpa. Bisher seien drei Viertel der Speicher zu mehr als 80 Prozent befüllt. Allerdings seien "knapp zwei Handvoll" der Speicher bisher nicht gut gefüllt, räumte Müller ein, darunter strategisch wichtige im Süden sowie der bundesweit größte im niedersächsischen Rehden, wo die Befüllung aus physikalischen Gründen nicht schneller vorangetrieben werden könne. "Darum werden wir nicht für alle Speicher die 95 Prozent garantieren können", sagte Müller.

Momentan sei die Versorgung in Deutschland stabil und gesichert, schreibt die Agentur. Die Lage sei aber angespannt, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Situation weiter verschlechtert. Über Nord Stream 1 liefert Russland momentan 20 Prozent der Maximalleistung. Die Großhandelspreise seien weiter angestiegen und bewegten sich "auf sehr hohem Niveau". Daher sollten sich Unternehmen und private Verbraucher auf "deutlich steigende Gaspreise" einstellen.

Eine neue Verordnung sieht vor, dass die deutschen Speicher am 1. Oktober zu mindestens 85 Prozent gefüllt sein müssen. Am 1. November sollen es mindestens 95 Prozent sein. Die zum 1. September vorgeschriebenen 75 Prozent waren mehr als zwei Wochen früher erreicht worden. Die Speicher gleichen Schwankungen beim Gasverbrauch aus und bilden damit eine Art Puffersystem für den Gasmarkt.

Auch der Geschäftsführer des Gas-Marktgebietsverantwortlichen Trading Hub Europe (THE), Torsten Frank, befürchtet, dass Deutschland nicht alle seine Gasspeicher wie gesetzlich gefordert füllen kann. "Wir werden viele Speicher bis zum November zu 95 Prozent füllen können, aber nicht alle", sagte er der Rheinischen Post. Eine bundesweite Gasmangellage erwarte er nicht, es könne aber regionale Mangellagen geben. "das lässt sich leider nicht ausschließen." Frank zeigte sich aber sehr zuversichtlich, "dass die privaten Haushalte in diesem Winter nicht frieren müssen."

Sollte es zu einer akuten Gasknappheit kommen, wird es Müller zufolge nur noch darum gehen, die Schäden so gering wie möglich zu halten. "Es gibt in einer Gasmangellage keine gute Entscheidung mehr, weil dann zu wenig Gas da ist. Wir versuchen, die Schäden dann zu minimieren", sagte er.

Russland hatte zuletzt angekündigt, Gaslieferungen über die Ostseepipeline Nord Stream 1 Ende August für drei Tage zu unterbrechen. Vom 31. August bis zum 2. September werde wegen Wartungsarbeiten kein Gas nach Deutschland fließen, hatte der Staatskonzern Gazprom mitgeteilt. Danach sollten täglich wieder 33 Millionen Kubikmeter Erdgas geliefert werden. Das entspricht den 20 Prozent der täglichen Maximalleistung, auf die Russland die Lieferung schon vor einigen Wochen verringert hat. Bereits im Juli hatte Gazprom die Gaslieferung durch Nord Stream 1 mehrere Tage lang eingestellt und das mit Wartungsarbeiten begründet.

Müller hält die angekündigte erneute Wartung für unbegründet. "Auch diese Wartungsunterbrechung ist für uns technisch nicht nachvollziehbar", sagte er. Alle bisherigen Argumente, es liege an den Turbinen von Siemens Energy, halte er für vorgeschoben. Die Erfahrung zeige, dass Russland "nach jeder sogenannten Wartung eine politische Entscheidung getroffen" habe.

Nach Ansicht der EU-Kommission wird die geplante erneute Wartung aber nicht zu einem EU-weiten "Unionsalarm" führen. Zu der dreitägigen Unterbrechung sehe es derzeit nicht danach aus, als müsse der Alarm ausgelöst werden, sagte ein Sprecher am Dienstag. "Wir verfolgen die Situation mit allen Mitgliedstaaten sehr genau." Die EU-Länder hatten sich im Juli in ihrem Notfallplan darauf geeinigt, bei weitreichenden Gasversorgungsengpässen einen sogenannten Unionsalarm auszulösen. Seit gut zwei Wochen ist der Plan in Kraft.

Unterdessen ebbt in Deutschland die Kritik an der Gasumlage nicht ab. Jens Spahn, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, sagte am Dienstag: "Die gravierenden handwerklichen Fehler der Gasumlage werden auch Gerichten ins Auge stechen." Die Berliner Kanzlei Raue, die die entsprechende Verordnung im Auftrag mehrerer Unternehmen geprüft hat, komme zu dem Schluss, dass die Umlage verfassungswidrig sei. Das Regelwerk belaste die Endverbraucher unverhältnismäßig, noch dazu verstoße es gegen Beihilferegeln im Europarecht.

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert forderte das Wirtschaftsministerium auf, es müsse ausschließen, dass wirtschaftlich gesunde Unternehmen von der Umlage profitieren. "Wenn sogar kerngesunde Unternehmen mit üppigen Gewinnen Geld aus der Gasumlage erhalten können, dann sichern die Verbraucher in Deutschland damit nicht etwa deren Existenz, sondern die Renditen der Eigentümer", sagte er am Dienstag. Das müsse "klipp und klar" rechtlich ausgeschlossen werden.

Die Umlage von 2,4 Cent pro Kilowattstunde soll ab Anfang Oktober greifen und Importeuren zugutekommen, die zu hohen Preisen Ersatz für ausbleibendes Gas aus Russland kaufen müssen. Bisher haben zwölf Unternehmen Ansprüche auf Erstattung von Gasbeschaffungs-Mehrkosten angemeldet, die aus der Gasumlage gedeckt werden sollen. Mehr als 90 Prozent der für die Zeit bis April 2023 beanspruchten 34 Milliarden Euro entfielen auf Uniper und Gazprom Germania, berichtete dpa.

(anw)