Ermittler der US-Musikindustrie unter Beobachtung

Das Unternehmen SafeNet, das für die US-Musikbranche Ermittlungen gegen mutmaßliche Urheberrechtsverletzungen führt, muss sich fragen lassen, ob das auch mit rechten Dingen zugeht.

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Von der internationalen Abmahn- und Klagewelle der Musikindustrie gegen mutmaßliche Urheberrechtsverletzungen sind vor allem auch US-Bürger betroffen. Dort hält der Lobbyverband Recording Industry Association of America (RIAA) mit einem Heer von Anwälten die Gerichte beschäftigt. Die Verfahren stützen sich im Wesentlichen auf Daten, die der Ermittlungs-Dienstleister MediaSentry heranschafft. Jetzt gerät das Unternehmen, das inzwischen von SafeNet übernommen worden ist, mit der Kronzeugenfunktion zunehmend ins Visier der gegnerischen Anwälte: Sie haben MediaSentry als weiteren Schwachpunkt in den RIAA-Klagen ausgemacht.

In Verfahren in verschiedenen US-Bundesstaaten stellt sich die Frage, ob MediaSentry bisher möglicherweise illegal operiert hat. Als Dienstleister, der im Auftrag der Musikindustrie Daten wie IP-Adressen und mutmaßlich verbreitete Musiktitel ermittelt, müsse das Unternehmen in bestimmten Staaten eine gültige Privatermittlerlizenz vorweisen können, geht die neue Lieblingstheorie der Verteidiger. Erste Erfolgserlebnisse können die RIAA-Gegner auch schon verbuchen: Gegenüber einem Beschwerdeführer bestätigte das Arbeitsministerium des US-Bundesstaates Michigan, dass MediaSentry keine Lizenz für den Staat Michigan besitze. Die Behörde werde das Unternehmen schriftlich darüber in Kenntnis setzen, dass es für die Ausübung regulierter Tätigkeiten in Michigan eine gültige Lizenz erwerben müsse.

Auch in den Bundesstaaten Massachusetts, New York und Oregon beschäftigen sich Juristen mit der Frage, ob MediaSentry eine Ermittlerlizenz benötigt. Die RIAA hat das in der Vergangenheit bei Gelegenheit verneint. US-Medienberichten zufolge sollen bei dem letzten Redesign der SafeNet-Website sämtliche Hinweise auf Prozesse, Beweissicherung und Ermittlungsdienste entfernt worden sein. Zufall, wie das Unternehmen sagt. Allerdings steht in dieser Frage für MediaSentry – und mehr noch für die RIAA – viel auf dem Spiel.

Es dürfte für MediaSentry ein Leichtes sein, die nötigen Lizenzen zu erwerben. Doch würde MediaSentry damit einräumen, zuvor ohne Genehmigung und damit illegal operiert zu haben. Damit bestünde eine gute Chance, dass die ohne Lizenz gesammelten Beweise vor Gericht nicht zugelassen werden. Da die IP-Adresse in der Regel der einzige Schlüssel zum Anschlussinhaber ist, bräche der Fall damit zusammen. Auch auf bereits mit Vergleichen abgeschlossene Verfahren könnte sich die Lizenzfrage auswirken.

Hierzulande operieren die Ermittler von Film- und Musikindustrie mit ähnlichen Methoden. Für die Ausforschung der IP-Adresse eines Filesharing-Clients – mit ein bisschen Kenntnis der Materie relativ einfach zu bewerkstelligen – braucht man hierzulande keine Privatschnüfflerlizenz. Allerdings gibt es durchaus kritische Stimmen. Insbesondere die enge Einbindung der Interessenvertreter der Inhalteindustrie in behördliche Ermittlungen wird unter anderem von Juristen kritisch gesehen. So begleiten Experten von GVU oder ProMedia die Polizei auf Razzien und helfen bei der Auswertung und Archivierung der beschlagnahmten Rechner und Datenträger.

Ein Unding, meinen Beobachter, dass an den Verfahren mittelbar beteiligte Parteien damit Einfluss auf die Ermittlungen erhalten. "Klar rechtswidrig" findet das Landgericht Kiel diese Verquickung. Bei einer derart weitreichenden "Privatisierung des Ermittlungsverfahrens", müsse sich dem Bürger geradezu der Eindruck aufdrängen, dass die Strafverfolgungsinstanzen gegen das Gebot der Unparteilichkeit verstoßen hätten, argumentierten die Richter (Az 37 Qs 54/06). In dem konkreten Fall hatte die Polizei einem Experten der GVU freie Hand bei der Inspektion, Beschlagnahme und Auswertung eines PC gelassen. (vbr)