Erste Plastikchips im Sommer 2001

Britische Forscher wollen im Sommer nächsten Jahres erste Prototypen aus der kommerziellen Plastik-Chip-Produktion vorstellen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 22 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Wolfgang Stieler

Britische Forscher wollen im Sommer nächsten Jahres erste Prototypen aus der kommerziellen Plastik-Chip-Produktion vorstellen. Für die Vermarktung gründeten die Wissenschaftler um den Cambridge-Dozenten Richard Friend die Firma Plastic Logic. Friend ist bekannt als Forschungs-Pionier auf dem Gebiet der organischen Halbleiter.

Dass spezielle Polymere sich wie Halbleiter oder sogar Metalle verhalten, ist seit langem bekannt. Jeremy Burroughes und seine Kollegen aus der Forschergruppe von Richard Friend und Donald Bradley an den Cavendish-Labaratorien in Cambridge konstruierten 1990 erstmals eine Leuchtdiode aus Polymeren. Friend und seine Kollegen gründeten später die Firma Cambridge Display Technologies, die 1998 das erste Polymer-Display vorstellte.

Polymere bestehen aus vielen identischen Einzelbausteinen, sogenannten Monomeren, aufgereiht wie Perlen auf einer Schnur. Die Struktur von Polymeren unterscheidet sich im Prinzip also nicht von der Struktur von Kristallen, nur dass sie gewissermaßen eindimensional ist. In der Regel bestehen diese Fadenmoleküle aus einem Kohlenstoffgerüst mit angehängten Wasserstoffatomen. Wenn sich die einfachen und doppelten Bindungen der Kohlenstoffatome in den Polymerketten abwechseln, hat das Material Halbleitereigenschaften. Ähnlich wie beim ringförmigen Benzol entstehen dann delokalisierte Elektronen: In dieser Konfiguration sind die Elektronen nicht an eine feste Position gebunden, sondern gehören gewissermaßen mehreren Atomen gleichzeitig. Anorganischen Halbleitern, wie Silizium, werden zusätzliche freie Elektronen oder Fehlstellen (Löcher) eingeimpft, indem man Fremdatome in das Halbleitermaterial einbaut (Dotieren). Bei organischen Halbleitern wird diese Injektion durch die Elektrodenmaterialien besorgt.

Prozessoren aus Plastik werden allerdings höchstwahrscheinlich bis auf exotische Anwendungsfälle Phantasie bleiben, denn die Plastik-Chips sind zu langsam. Während amorphes Silizium Ladungsträger-Beweglichkeiten zwischen 0,5 und 1 Quadratzentimeter/Vs zeigt, bleiben viele organische Halbleiter in Größenordnungen von 0,0001 bis 0,01 Quadratzentimeter/Vs hängen. Die Schaltzeit der zurzeit schnellsten organischen Transistoren der Welt liegt knapp unter 75 Mikrosekunden. Computerchips auf der Basis solcher Plastiktransistoren könnten gerade mal im Kilohertz-Bereich betrieben werden. Der Plastikchip, mit dem Philips im Oktober 98 für Furore gesorgt hat, ist mit seinen 30 Bit pro Sekunde noch langsamer.

Plastic Logic setzt daher auch mehr auf den Preisvorteil bei der Produktion als auf Geschwindigkeit. Hergestellt werden sollen die Chips mit einer Art Tintenstrahldrucker. Flüssiger Kunststoff, mit speziellen Chemikalien vermischt, werde dann nach Aussage der Forscher mikrometerfein auf einen kleinen Träger gespritzt. Dadurch wären die aufwendigen Reinräume und Ätztechniken bei der heutigen Chipproduktion überflüssig. Die Kosten für eine Chipfabrik könnten weit unter den üblichen zwei Milliarden Euro liegen.

An ähnlichen Projekten arbeiten zurzeit auch IBM, Phillips und Lucent Technologies. (wst)