Erster US-Staat besteuert Online-Werbung

Maryland veranschlagt bis zu 10% Steuer auf Online-Reklame, nachdem das Parlament ein Veto des Gouverneurs überstimmt hat. Nun folgt eine Prozesswelle.

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Maryland verspricht sich 250 Millionen Dollar Steueraufkommen jährlich.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

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Maryland hat als erster US-Bundesstaat eine separate Steuer auf "aus Online-Werbung abgeleiteten Umsätzen" eingeführt, die bei klassischer Werbung nicht erhoben wird. Der Steuersatz beträgt bis zu zehn Prozent. Zwar hatte der Gouverneur des Ostküstenstaates ein Veto gegen das Gesetz eingelegt, doch hat das Parlament vergangene Woche einen Beharrungsbeschluss gefasst. Nun folgen Gerichtsprozesse.

Die Digitalsteuer soll insbesondere große Konzerne treffen. Wer weniger als eine Million Dollar pro Jahr Umsatz mit digitaler Werbung "in Maryland" macht oder weniger als 100 Millionen Dollar weltweiten Umsatz egal womit macht, muss nichts zahlen. Bei größeren Gesamtumsätzen sollen 2,5 Prozent bis zehn Prozent des "in Maryland" aus digitaler Werbung "abgeleiteten Umsatzes" abgeführt werden. Je mehr Gesamtumsatz ein Unternehmen macht, umso höher wird der Steuersatz. Ab 15 Milliarden Dollar Jahresgesamtumsatz sind es zehn Prozent.

Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Romer hatte sich 2019 für die Besteuerung zielgerichteter Werbung ausgesprochen, um Facebook und Google zur Änderung ihrer Geschäftsmodelle zu zwingen. Beide verdienen ihr Geld vor allem mit der Vermittlung zielgerichteter Reklame. Diesen Vorschlag nennt der Demokrat Bill Ferguson, Marylands Senatspräsident und einer der führenden Prominenten des Gesetzes, als Inspiration für die neue Steuer. Allerdings ist nicht zielgerichtete Werbung genauso steuerpflichtig, was dem Vorschlag des Nobelpreisträgers zuwiderläuft.

Kritiker des Gesetzes bemängeln, dass die Steuer zu höheren Preise für Unternehmen und Verbraucher in Maryland führen werde, nicht zu einer Schmälerung der Profite großer Konzerne. Außerdem sei das Gesetz mehrfach rechtswidrig. Weil die Steuer bei klassischer Werbung nicht eingehoben wird, könnte ein Verstoß gegen das Bundesgesetz Permanent Internet Tax Freedom Act. Dieses Gesetz verbietet diskriminierende Steuern auf E-Commerce.

Zusätzlich verbietet die US-Verfassung den einzelnen Staaten, Steuern einzuheben, die sich auf Sachverhalte außerhalb des jeweiligen Staates beziehen. Da das Gesetz auch auf den weltweiten Gesamtumsatz abstellt, sei es verfassungswidrig, so die Kritiker. Weil Datenkonzerne, die Werbebranche, Betreiber werbefinanzierter Dienste und Werbetreibende die Steuer im Keim ersticken möchten, sind Klagen so sicher wie das Amen im Gebet.

Hinzu dürfte eine Reihe von Gerichtsprozessen im Rahmen der Steuerbemessung kommen. Der Gesetzestext ist sehr kurz gehalten und lässt zahlreiche Fragen offen. Unklar ist, was "aus Werbung abgeleiteter Umsatz" ist und ob etwa auch ein durch Werbung angeregter Kauf darunter fällt, wann dieser Umsatz "in Maryland" entsteht, wer welchen Aufwand treiben muss um das festzustellen, ob offline platzierte Werbung, die beispielsweise in einer Videoübertragung auch online zu sehen ist, ebenfalls besteuert wird, und ob alle oder nur bestimmte Teile der Werbekette besteuert werden.

Letzteres ist von erheblicher Bedeutung, weil Online-Werbung selten direkt zwischen dem Werbetreibenden und beispielsweise dem Betreiber einer Webseite verhandelt wird. In aller Regel sind dazwischen mehrere Vermittler und Dienstleister beteiligt, die allesamt Umsatz aus der Werbung lukrieren und einen Teil weiterreichen. So, wie das Gesetz formuliert ist, könnte es zu Mehrfachbesteuerung der selben Werbeschaltung führen.

Die Betreiber des Gesetzes wollen ein zweites Gesetz nachreichen: Es soll Medienunternehmen von der Werbebesteuerung ausnehmen und zudem verbieten, dass die Steuer an Werbetreibende durchgereicht wird. Weil Online-Werbepreise von zahlreichen Faktoren beeinflusst werden und sekündlich schwanken, wäre so ein Verbot kaum exekutierbar. Verboten wäre lediglich ein transparenter "Maryland-Aufschlag". Werbevermittler könnten jedoch höhere Preise für Vermittlung an IP-Adressen in Maryland verrechnen, solange sie das nicht ausweisen.

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Derweil liegen in den Parlamenten Connecticuts und Indianas Anträge auf eigene Steuern auf Online-Werbung auf, berichtet die New York Times. In New York und West Virginia sind vergleichbare Gesetzesanträge vergangenes Jahr gescheitert. Die Einführung in Maryland könnte zu neuen Anläufen in diesen Staaten führen, meint die Zeitung.

International kämpfen die USA gegen vergleichbare Steuern, die so gestaltet sind, dass meist nur Geschäftsbeziehungen mit ausländischen Unternehmen erfasst sind und daher wie ein Zoll wirken. Als Antwort auf die französische Digitalsteuer haben die USA bereits Zölle angekündigt, erheben vorerst aber keine. Inzwischen droht die US-Regierung 6 weiteren Ländern mit "Digitalsteuern" Konsequenzen an. Unter Beobachtung des US-Handelsbeauftragten steht unter anderem die Europäische Union, in der Digitalsteuern politisch diskutiert werden.

(ds)