EuGH: Verbraucherschützer dürfen Facebook wegen Datenschutzverstoß verklagen

EU-Mitgliedstaaten können es Verbraucherschutzverbänden erlauben, gegen Datenschutzverletzungen Sammelklagen zu erheben, urteilt der Europäische Gerichtshof.

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(Bild: Wirestock Images/Shutterstock.com)

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Verbraucherschutzverbände können gegen Verletzungen des Schutzes personenbezogener Daten stellvertretend für Konsumenten klagen. Es ist zulässig, dass ein solches gerichtliches Vorgehen unabhängig von einem Verstoß gegen das Recht einer bestimmten betroffenen Person und ohne entsprechenden Auftrag erfolgt. Dies hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Donnerstag entschieden.

Einen Fall hatte der Bundesgerichtshof (BGH) dem EuGH im April 2019 vorgelegt. In dem Rechtsstreit zwischen dem Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) und der Facebook-Mutter Meta geht es darum, ob ein potenzieller Datenschutzverstoß des Betreibers eines sozialen Netzwerks auch wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche begründet und von Verbraucherschutzverbänden durch eine Klage vor den Zivilgerichten verfolgt werden kann.

Der BGH hielt ein solches Vorgehen des vzbv für begründet, hegte aber Zweifel an dessen Zulässigkeit aufgrund der Stellvertreterfunktion des Verbands. Zugleich merkten die Karlsruher Richter an, dass vor allem die zuständigen Aufsichtsbehörden prüfen müssten, ob die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) eingehalten werde.

Der EuGH stellt in seinem Urteil in der Rechtssache C-319/20 nun fest, dass die DSGVO einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der ein Verband zur Wahrung von Verbraucherinteressen gegen den mutmaßlichen Datenschutzverletzer eine Art Sammelklage erheben kann. Voraussetzung sei, dass es um einen Verstoß etwa gegen das Verbot der Vornahme unlauterer Geschäftspraktiken, gegen ein Verbraucherschutzgesetz oder das Gebot wirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGBs) gehe. Ferner müsse die betreffende Datenverarbeitung die Rechte identifizierter oder identifizierbarer natürlicher Personen aus dieser Verordnung beeinträchtigen können.

Zugleich unterstrichen die Luxemburger Richter, dass die DSGVO zwar grundsätzlich eine volle Rechtsharmonisierung in der gesamten EU vorsehe. Allerdings eröffneten einige Bestimmungen den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, innerhalb ihres Ermessensspielraum zusätzliche nationale Vorschriften zu erlassen. Diese dürften nur nicht "gegen den Inhalt und die Ziele dieser Verordnung verstoßen".

Verbandsklagen seien an eine Reihe von Anforderungen geknüpft, arbeitete der EuGH heraus. Eine berechtigte Institution müsse ein im öffentlichen Interesse liegendes Ziel verfolgen, das darin besteht, die Rechte der Verbraucher zu gewährleisten. Der Verband müsse den Fall zudem so einschätzen, dass seines Erachtens die Rechte einer betroffenen Person gemäß der DSGVO direkt verletzt worden sind. Es sei dagegen nicht nötig, ein solches Individuum im Voraus konkret zu ermitteln. Eine solche Auslegung stehe im Einklang mit dem Ziel der DSGVO, ein hohes Datenschutzniveau zu gewährleisten.

Der Gerichtshof folgte so im Kern den Schlussanträgen des Generalanwalts Richard de la Tour. Dieser hatte argumentiert, bei der Unterlassungsklage des vzbv gegen Meta gehe es um einen potenziellen Verstoß gegen die datenschutzrechtliche Pflicht, die Nutzer über Umfang und Zweck der Erhebung und Verwendung ihrer Daten zu unterrichten.

Der BGH hatte zuvor bereits moniert, dass Facebook den Nutzern die erforderlichen Informationen nicht in präziser, transparenter, verständlicher und leicht zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache übermittelt. Dies werteten die Karlsruher Richter, die nun ihr Urteil fällen können, als Verstoß gegen die DSGVO.

In dem Verfahren geht es um das von Facebook betriebene App-Zentrum, über das kostenlos Online-Spiele anderer Anbieter zugänglich gemacht werden. Der Nutzer erteilte mit dem Button "Sofort spielen" den Betreibern der Anwendungen die Genehmigung, viele seiner persönlichen Daten zu sammeln und auszuwerten. In einem Hinweis hieß es: "Durch das Anklicken von 'Spiel spielen' oben erhält diese Anwendung: Deine allgemeinen Informationen, Deine-Mail-Adresse, Über Dich, Deine Statusmeldungen. Diese App darf in deinem Namen posten", einschließlich der Angabe des Punktestands.

Der vzbv klagte, weil er diese Angaben für unzureichend hielt und darin keine wirksame Einwilligung in die Datennutzung erkennen konnte. Er sieht darin zudem einen wettbewerblichen Verstoß.

In Deutschland gibt es seit rund drei Jahren auch das Instrument der Musterfeststellungsklage. Dabei müssen im ersten Schritt mindestens zehn, später 50 geschädigte Verbraucher mitmachen. Bekannt ist vor allem das Vorgehen von Verbraucherschützern auf Basis dieses Instruments gegen VW aufgrund der Dieselaffäre. Gewinne etwa aus Datenmissbrauch lassen sich über das Werkzeug bislang hierzulande nicht abschöpfen. Dies sehen aber die neuen Vorgaben für EU-weite Sammelklagen vor.

(mho)