Europa verschärft Anti-Terrormaßnahmen

In Deutschland wird besonders um ein Gleichgewicht zwischen Bürgerrechten und Privatsphäre auf der einen Seite und erhöhter Sicherheit auf der anderen gerungen.

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Von
  • dpa

Nach den Londoner Bombenanschlägen haben die meisten europäischen Länder ihre Sicherheitsmaßnahmen verschärft. Polizei wurde in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt, besonders gefährdete Zentren wie Flughäfen und Bahnhöfe noch intensiver kontrolliert. In verschiedenen Ländern sind Verschärfungen der Anti-Terror-Gesetze in Vorbereitung oder in Diskussion.

Weitgehend sind die Sicherheitsmaßnahmen in den Ländern, die sich unter anderm wegen ihrer Beteiligung an der Irakbesetzung oder hohen Anteils von Moslems an der Bevölkerung am stärksten bedroht fühlen: Großbritannien und Italien. Die Regierung in London will am gezielten Todesschuss festhalten, wenn es darum geht, ein Bombenattentat zu verhindern. Stichprobenartig werden Taschen in den öffentlichen Verkehrsmitteln kontrolliert. Die Polizei fordert, Verdächtige drei Monate ohne Anklage festhalten zu können, abgehörte Telefonate sollen bei Prozessen als Beweismittel verwendet werden können. Hassprediger sollen sich nicht mehr auf die Meinungsfreiheit berufen können.

Italien ist dabei, im Eiltempo ein Anti-Terror-Paket zu verabschieden. Geplant ist der Einsatz der Armee bei Personenkontrollen und Durchsuchungen. Zur Identifizierung von Verdächtigen soll Zwangsentnahme von DNA-Proben erlaubt sein. Die Dauer von vorläufigen Festnahmen soll auf 24 Stunden verdoppelt werden. Telefon und Internet sollen strikter überwacht werden.

In Deutschland wird besonders um ein Gleichgewicht zwischen Bürgerrechten und Privatsphäre auf der einen Seite und erhöhter Sicherheit auf der anderen gerungen. So hat das Bundesverfassungsgericht die vorbeugende Telefonüberwachung verboten. Erneut gab es Diskussionen, ob der finale Todesschuss in einer Situation wie in London gerechtfertigt sei oder ob und unter welchen Umständen die Bundeswehr im Innern eingesetzt werden kann. Bundesinnenminister Otto Schily bekräftigte seinen Vorschlag, dass das Bundeskriminalamt mehr Kompetenzen bei der Terrorbekämpfung erhalten müsse.

Frankreich will mit einem neuen Gesetz im Herbst vor allem die Video-Überwachung im öffentlichen Bereich ausweiten und Telefongespräche noch intensiver kontrollieren. Video-Bilder und SMS sollen bei Strafverfahren verwendet werden. Dagegen sollen gezielte Todesschüsse nicht erlaubt sein.

Finnland hat am 20. Juli der Polizei größere Vollmachten zur Telefonüberwachung gegeben. Der Innenminister kann in Extremsituationen auch auf das Militär zur Unterstützung der Polizei zurückgreifen. In Tschechien wünscht man eine polizeiliche Vollmacht zur Blockade von Mobilfunksignalen, mit denen unter anderem auch Bombenexplosionen ausgelöst werden können. In der Schweiz hat Innenminister Christoph Blocher Vorschläge zur Ausweitung der Telefonüberwachung angekündigt. Auch soll es die präventive Überwachung von Moscheen und Privaträumen ohne Tatverdacht geben.

In den meisten anderen Ländern hat sich die Lage nicht wesentlich verändert. Verschiedene hatten ihre Maßnahmen schon nach dem 11. September 2001 erheblich verschärft. Die EU bemüht sich seit längerem um engere Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten in der Terrorbekämpfung. Derzeit werden äußerst umstrittene Pläne für eine umfassende Speicherung aller Daten zu Telefonverbindungen diskutiert. Außerdem arbeitet die EU-Kommission an Vorschlägen, um Geldquellen von Terroristen leichter austrocknen zu können. (dpa) / (jk)