EU-Gesundheitsdatenraum: Mehr Rechte für Patienten, Trilogverhandlungen beginnen

Das Europäische Parlament hat seine Position zum Europäischen Gesundheitsdatenraum angenommen. Am Donnerstag beginnen die Trilogverhandlungen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 1 Kommentar lesen
Arzt zeigt auf einen Display

(Bild: SOMKID THONGDEE/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.

Bald sollen Gesundheitsdaten EU-weit beforscht werden können. Dazu hat das Europäische Parlament seine Position zum Europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS) mit 516 Ja-Stimmen und 95 Gegenstimmen bei 20 Enthaltungen angenommen. Die erste Trilogverhandlung ist für Donnerstag angesetzt. Zuvor hatten der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) und der für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI) im Europäische Parlament ihren Standpunkt angenommen.

Mit dem Gesundheitsdatenraum sollen Bürger im Sinne der Primärnutzung den EU-weiten Zugang zu Verschreibungen, medizinischen Bildern und Krankenakten erhalten. Ärzte und ähnliche Berufsgruppen sollen jedoch ausschließlich auf die Patientendaten – beispielsweise Patientenkurzakten, E-Rezepte, medizinische Bilder und Laborergebnisse – zugreifen können, wenn das für die Behandlung erforderlich ist. "Es ist auch beispielsweise ganz wichtig, dass man die Blutgruppe einer Person kennt [...] das kann Leben retten", sagt Annalisa Tardino, Berichterstatterin des LIBE-Ausschusses, die die Parlamentsposition vor den Verhandlungen mit dem Rat zusammen mit dem ENVI-Berichterstatter Tomislav Sokol vertritt. Der EHDS soll auch für "harmonisierte Regeln" sorgen, damit beispielsweise Studenten, Reisende, Arbeitnehmer Regeln haben, um "wirklich vollumfängliche Unionsbürger" zu sein.

Primärdaten und Sekundärdaten

Zu Primärdaten zählen Informationen, die direkt von Patienten stammen, wie ihre persönlichen Angaben, medizinische Vorgeschichte, Symptome, Labortests oder andere direkt von Gesundheitsdienstleistern erfasste Informationen.

Zu Sekundärdaten beziehungsweise Routinedaten gehören beispielsweise Abrechnungsdaten, Zusammenfassungen von Patientendaten, statistische Analysen oder Berichte über bestimmte Gesundheitsmuster, die auch in der Gesundheitspolitik genutzt werden.

Vor allem dient der EHDS aber dem Austausch von Informationen über Krankheitserreger, genetische Daten und öffentliche Gesundheitsregister, aber er soll auch die Weitergabe von Daten "öffentlichen Interesses" etwa im Rahmen der Sekundärnutzung für "Forschung, Innovation und Patientensicherheit", ermöglichen. Bei der Verwendung von Patientendaten durch Gesundheitsdienstleister für die weitere Nutzung der Gesundheitsdaten soll es ein Widerspruchsrecht geben, das war bis vor kurzem noch unklar. Bei besonders sensiblen Daten, etwa Genomdaten, ist ein Opt-in, also die ausdrückliche Zustimmung des Versicherten erforderlich. Zwar wollten "manche Fraktionen ein zustimmungsbasiertes System", wie Sokol zusammenfasst. Allerdings würde es den Gesundheitsdatenraum ab absurdum führen.

Ebenso sollen Finanzdienstleister oder der Arbeitsmarkt keinen Zugriff auf Gesundheitsdaten erhalten. Die weitergegebenen Daten sollen ausdrücklich zur Entwicklung neuer Medikamente oder anderer Produkte für die Gesundheit weitergegeben werden. So soll sichergestellt werden, dass die Daten beispielsweise "nicht unter geistige Eigentumsrechte fallen oder Geschäftsgeheimnisses darstellen", heißt es in einer Pressemitteilung des Parlaments. Außerdem soll Europa im Gegensatz zu anderen Kontinenten wettbewerbsfähig bleiben. Das Ziel sei es, mehr Daten zu haben, um beispielsweise Krebs, aber auch seltene Erkrankungen zu erforschen.

Kritik übte Sokol daran, dass der Europäische Rat längere Umsetzungsfristen fordert, bis die Daten aus der Primärversorgung zur Verfügung stehen und im System registriert werden. Die Umsetzungsfristen sollen demnach zwischen fünf und sieben Jahren liegen. Seiner Ansicht nach dauere das viel zu lange: "Das würde bedeuten, dass man erst neun Jahre nach Annahme der Verordnung das alles auch in Betrieb nehmen kann", sagt Sokol. Das EU-Parlament und die Kommission seien da ambitionierter.

Über die Plattform MyHealth@EU können nationale Dienste den Zugang zu Gesundheitsdaten regeln. Ebenso soll laut Gesetz der Markt von Anbietern elektronischer Patientenakten durch nationale Behörden überwacht werden. Geforscht werden soll laut Sokol in sicheren Umgebungen. Untersagt sei jedoch die Weitergabe von Daten zu Werbezwecken oder zur Bewertung von Versicherungsanträgen. Es ginge auch nicht darum, "Social-Media-Profiling" im Gesundheitsbereich zu betreiben.

"Die Initiative wird die Bürgerinnen und Bürger stärken, indem sie die Gesundheitsversorgung auf nationaler und grenzüberschreitender Ebene verbessert, und sie wird den verantwortungsvollen Austausch von Gesundheitsdaten erleichtern und damit Forschung und Innovation fördern", sagt Sokol.

(mack)