Europäischer Rat drängt wegen terroristischer Bedrohung auf Fluggastdaten-Sammlung

Die Staats- und Regierungschefs der EU haben auf ihrem Gipfel in Brüssel gefordert, dass bis Jahresende die Gesetzesarbeit für ein europäisches System zum Sammeln von Flugpassagierdaten vollendet sein soll.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 89 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Jahrelang lagen die Pläne für eine Vorratsdatenspeicherung sogenannter Passenger Name Records (PNR) in Europa auf Eis. Jetzt hat es der Europäische Rat wegen der erstarkenden Dschihadisten-Miliz "Islamischer Staats" in Syrien und Irak plötzlich eilig: Die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsländer appellieren im Abschlussdokument ihres jüngsten Treffens am Samstag an den Ministerrat und das EU-Parlament, die Arbeit für ein EU-PNR-System noch "vor dem Jahresende zu beenden".

Herman van Rompuy, Präsident des Europäischen Rats (r.), und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso in der Nacht auf Sonntag

(Bild: consilium.europa.eu)

Es sei ein entschlossenes Handeln nötig, um den "Zustrom ausländischer Kämpfer" in die EU zu stoppen, heißt es knapp zur Begründung. Dazu sei es auch wichtig, Radikalisierung und Extremismus zu verhindern, Informationen effektiver auszutauschen, "verdächtige" Reiseaktivitäten auszumachen und zu stören sowie Islamisten strafrechtlich zu verfolgen. Dafür solle die EU möglicherweise stärker mit Drittstaaten kooperieren.

Nach Kenntnis des Bundesinnenministeriums verfügt in Europa derzeit Großbritannien bereits über ein nationales PNR-System; in Frankreich, Spanien, Finnland, Italien und Lettland würden vergleichbare Systeme aufgebaut. Die EU-Kommission unterstützt derlei nationale Alleingänge finanziell mit vielen Millionen, obwohl ihr Plan für ein gemeinsames europäisches Vorgehen bislang vor allem im Parlament auf Widerstand stößt.

Der federführende Innenausschuss des EU-Parlaments lehnte den Entwurf der Kommission im April 2013 ab. Diese hatte ins Spiel gebracht, Fluggastdaten bis zu fünf Jahre zu speichern. Dabei sollten die PNR, zu denen neben Name, E-Mail-Adresse, Telefon-, Konten- und Kreditkartennummern etwa auch Essenswünsche oder Angaben über den gesundheitlichen Zustand der Reisenden gehören, nach 30 Tagen "maskiert" werden, damit sie nicht leicht auf Personen bezogen werden können.

Der Ministerrat und der Berichterstatter im Innenausschuss des Parlaments, der britische Konservative Timothy Kirkhope, wollten das Vorhaben deutlich ausweiten und verschärfen. So sollten die Informationen zwei Jahre lang unmaskiert vorgehalten werden. Mitgliedsstaaten wollte es der Rat selbst überlassen, ob sie ausgewählte Flugrouten innerhalb Europas in ihre nationalen Datenbanken einschließen.

Auf Drängen von Kirkhopes überwies das EU-Parlament das Dossier im Juni vorigen Jahres noch einmal an den Innenausschuss zur weiteren Beratung. Der Berichterstatter begründete das ungewöhnliche Vorgehen damit, dass sich bei der ersten Abstimmung in dem Gremium eine "zufällige Mehrheit" gegen die Flugdatenanalyse ausgesprochen habe. Vor allem Linke und Grüne fordern dagegen vor allem im Lichte des Urteils des Europäischen Gerichtshofs gegen die Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten das endgültige Aus für das Vorhaben.

Der britische Premierminister David Cameron will derweil laut einem Bericht des Guardian nicht länger auf das europäische PNR-System warten. Der Konservative will Geheimdienstbehörden einfacher auf Flugpassagierdaten zugreifen lassen und in diesem Zusammenhang auch die Kooperationen mit der Türkei und Deutschland ausbauen. Beide Länder gelten in London als wichtigste Stationen für die Rückreise von Dschihadisten, die in Großbritannien geboren wurden. Großbritannien gilt seit Langem als treibende Kraft beim Auswerten von Fluggastdaten in Europa und hatte dafür auch auf dem EU-Gipfel erneut geworben. (anw)