Europas Länderdomain-Manager wollen ICANNs Macht begrenzen

Die Verwalter der europäischen Länderdomains wehren sich gegen eine Länderdomain-Organisation bei der internationalen Netzverwaltung mit unklar definierten Aufgaben.

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Von
  • Monika Ermert

Es sind einmal mehr Europas Länderdomain-Manager, die der internationalen Netzverwaltung Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) das Leben schwer machen. Zu gerne möchte ICANNs Führung beim Treffen in Montreal einen umfassenden Übergang zur reformierten ICANN Version 2.0 schaffen. "Wir haben das neue Gremium für die internationalen Top Level Domains, wir haben die vom Nominierungskomitee gewählten neuen Direktoren", sagt Alejandro Pisanty, Vorsitzender des ungeliebten Reform-Komitees (ERC). Da will man auch mit der Verabschiedung der Satzung für das neue ccTLD-Gremium nicht mehr warten. Eine Reihe europäischer Registries für die Länder-Domains (ccTLDs), allen voran die .-de-Registry DeNIC, machten dagegen deutlich, dass sie der Organisation auf der Basis der vorgeschlagenen Satzung nicht beitreten werden.

"Es ist schwer, einer Organisation beizutreten, deren Aufgaben nicht klar definiert sind", begründete die Vertreterin der norwegischen Registry ihre Kritik. Die erst vor wenigen Tagen in allen Details vorgelegte Satzung lasse völlig im Unklaren, wie weit ICANNs Aufgabe reiche. Ein Beitritt angesichts der derzeit völlig vagen Bedingungen könne sie gegenüber ihren Mitgliedern kaum verantworten, sagte DeNIC-Chefin Sabine Dolderer: "Wo sollte der Vorteil für uns liegen beizutreten?"

Die europäischen Länderregistries fürchten an erster Stelle eine Einmischung in ihre lokalen Angelegenheiten -- trotz aller Beteuerungen von Pisanty und seinem Kollegen Hans Kraaijenbrink, dass nationales Recht in jedem Fall vorgehe. Eine klare Begrenzung der Aufgaben wollte man aber nicht vornehmen. Das könnten die Ländermanagern immer noch nach Etablierung des Gremiums tun. "Doch dabei laufen wir Gefahr, dass sich so ein Prozess verselbstständigt," warnt Dolderer, die auch Mindestquoren für die grundsätzliche Veränderungen von Regelungen forderte.

Unterstützung für die Länderregistries kam in Montreal von offizieller Regierungsseite. Der britische Vertreter in ICANNs Regierungsbeirat nannte die vorgeschlagene Regelung nichts weniger als "autokratisch" in vielen Formulierung und "besonders für die europäischen ccTLDs problematisch". Sie entspreche auch so gar nicht den von Vint Cerf vorgeschlagenen Prinzipien der Kooperation und Koordination. Der ICANN-Präsident hatte in einer Art "Deus ex Machina"-Auftritt versucht, die hochschlagenden Wogen etwas zu glätten, um eine Blockade für die Gründung des ccTLD-Gremiums abzuwenden. Der scheidende Direktor Kraaijenbrink bügelte den Einwand des britschen Regierungsvertreters überraschend brüsk ab und warf diesem gar vor, selbst gegen erklärte Politik des Regierungsbeirates (GAC) zu verstoßen. Der GAC arbeitet derzeit an seiner Version 2 der Dreiecks-Verträge zwischen Regierungen, ccTLDs und ICANN. Diese sollen die ccTLDs wiederum klar den Regierungen als den eigentlichen Hütern der nationalen Registries unterstellen.

Die ICANN-Spitze scheint jede weitere Verzögerung des Reformprozesses um jeden Preis vermeiden zu wollen. Forderungen der ccTLDs nach einer weiteren Diskussionsrunde vor der Verabschiedung der ccNSO-Satzung lehnten die ICANN-Vertreter ab. Aber auch mit einem weiteren wichtigen Partner hat ICANN noch keine Einigkeit erzielt: Die für das Management der IP-Nummern verantwortlichen Regional Internet Registries sind noch immer in Verhandlungen und wollen dem Vernehmen nach auf jeden Fall eine eigene Organisation gründen, die im Falle eines Falles die Vergabe der IP-Blöcke selbst übernehmen kann. Der ICANN dagegen sitzen neben der International Telecommunications Union (ITU) vor allem US-Kongressabgeordneten und Senatoren auf der einen und US-kritische Regierungsvertreter beim Weltgipfel der Informationsgesellschaft im Nacken. Wer weiß, ob diese Kritiker ICANN ein weiteres Update zugestehen, wenn die Reform zu ICANN II floppt ... (Monika Ermert) / (jk)