Europas Telekombranche im Fusionsfieber -- Rückgang im Festnetz

Hintergrund der Übernahme-Avancen der Telekom-Giganten ist vor allem die Umsatzerosion im traditionellen Festnetzgeschäft. Darüber hinaus setzt auch die zunehmende Marktsättigung im Mobilfunk die Unternehmen unter Zugzwang.

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Von
  • Martin Murphy
  • Peter Lessmann
  • dpa

Die Marktbereinigung der europäischen Telekombranche rollt und Spekulationen schießen ins Kraut. Vor allem kleine Ex-Monopolisten wie die dänische TDC und die irische Eircom werden immer wieder als Übernahmekandidaten genannt. Doch ins Visier der Schwergewichte Telefónica und Deutsche Telekom sind auch milliardenschwere Konzerne wie niederländische KPN und der britische Mobilfunkbetreiber O2 geraten.

Hintergrund der neuerlichen Avancen der Telekom-Giganten ist vor allem die Umsatzerosion im traditionellen Festnetzgeschäft. Darüber hinaus setzt auch die zunehmende Marktsättigung im Mobilfunk die Unternehmen unter Zugzwang. Auf der Käuferseite sieht Per-Ola Hellgren von der Landesbank Rheinland-Pfalz vor allem Telekom und Telefónica. "Erste Schritte sind getan", sagt auch Martin Gutberlet vom Marktforschungsunternehmen Gartner.

Nach dem rigiden Schuldenabbau verfügen die Unternehmen wieder über einen finanziellen Spielraum, den sie für Zukäufe aufbringen können. Laut einer Studie der Credit Suisse First Boston liegen in den Kriegskassen von Telekom, Telefónica, Vodafone, France Télécom und Telecom Italia bis zu 100 Milliarden Euro bereit. Und das sind zugleich auch die Konzerne, die das Tempo der Konsolidierung vorgeben.

Als erste zeigten die Franzosen unlängst, wohin die Post geht: Für 6,4 Milliarden Euro erwarb France Télécom die spanische Amena und schloss damit für sich eine Lücke auf einem der größten Mobilfunkmärkte in Westeuropa. Für fast den doppelten Preis ging in Italien die Mobilfunkgesellschaft Wind an Finanzinvestoren.

Seitdem reißen die Meldungen über Fusionen nicht ab: Laut Medienberichten sondiert die Telefónica den Kauf von KPN und würde damit über E-Plus auch auf den deutschen Mobilfunkmarkt vordringen. Damit würde dem Unternehmen nach dem gescheiterten UMTS-Abenteuer doch noch der Einstieg in Deutschland gelingen. Bereits vor fünf Jahren hatten die Unternehmen Fusionsgespräche geführt, diese aber schließlich verworfen.

Ihren Expansionshunger unterstrichen die Spanier mit dem Kauf von Cesky Telecom und einer Reihe lateinamerikanischer Mobilfunkfirmen für insgesamt 7,6 Milliarden Euro. Telefónica wurde zuletzt wie auch die Telekom als möglicher Käufer für O2 genannt. Zuvor hatte die Telekom bestätigt, Gespräche mit KPN über eine gemeinsame Übernahme von 02 geführt zu haben.

Woran die Verhandlungen letztlich scheiterten, blieb unklar -- wahrscheinlich war es der Kaufpreis, der bei rund 20 Milliarden Euro gelegen haben soll. Doch endgültig zu den Akten gelegt worden ist das Thema nach Einschätzung in Branchenkreisen nicht. Ein Fondsmanager ist sich sicher: "Zu einem späteren Zeitpunkt wird die Telekom in Sachen O2 wieder aktiv werden".

Dabei hatte Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke in den vergangenen Jahren gebetsmühlenartig wiederholt: "Wir befinden uns nicht im Akquisitionsmode". Doch im Festnetzgeschäft sind die Bonner inzwischen derart unter Druck geraten, dass nur noch die Flucht nach vorne hilft. Die Wettbewerber, einschließlich der aus dem Mobilfunk, haben mit günstigen Tarifen und Pauschalangeboten zum Generalangriff auf das Festnetzgeschäft von T-Com geblasen.

Mit dem Ausbau seiner bestehenden Mobilfunktöchter in Europa und den Vereinigten Staaten will die Telekom die Erosion stoppen. "Doch das ist mir zu wenig für eine langfristige Wachstumsstrategie", urteilt Gutberlet. Die Telekom habe den lateinamerikanischen Markt verschlafen und sich nicht getraut, nach Indien oder China zu gehen.

Aufholen könnten die Bonner die verpassten Chancen eigentlich nur durch eine schlagkräftige Allianz mit einem großen Anbieter in Südeuropa, meint ein Branchenkenner -- Telefónica eben. Doch dazu müsste vorher ein anderes Geschäft aufgegeben werden, was derzeit das lukrativste bei der Telekom ist und über deren Verkauf angeblich heftig gerungen wurde, nämlich T-Mobile USA. Aber die Tochterfirma steht nicht zum Verkauf. (Martin Murphy und Peter Lessmann, dpa) / (pmz)