Europol warnt vor Rekrutierung Minderjähriger durch organisiertes Verbrechen

Etwa in sozialen Medien rekrutieren Netzwerke des organisierten Verbrechens Minderjährige. Europol beobachtet eine Ausweitung der Taktik.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 7 Kommentare lesen
Jugendlicher vor einem Computer, mit Geld und Aktentaschen und zwei maskierten Kriminellen mit Waffen dahinter

(Bild: Bild erstellt mit KI in Bing Designer durch heise online / dmk)

Lesezeit: 3 Min.
Von

Die europäische Polizeibehörde Europol warnt aktuell davor, dass Netzwerke des organisierten Verbrechens zunehmend Minderjährige zur Ausübung krimineller Handlungen rekrutieren. Damit versuchen die Kriminellen, der Entdeckung, Gefangennahme und Verurteilung zu entgehen. Die Minderjährigen gehen sie etwa auf sozialen Medien an.

Grundsätzlich sei das Phänomen nicht neu, schreibt Europol in einer geheimdienstlichen Benachrichtigung. Minderjährige seien jüngsten Daten von Europol zufolge in mehr als 70 Prozent der kriminellen Märkte involviert. Die Märkte, die häufig Minderjährige ausbeuten, umfassen Cyberkriminalität und Online-Betrug, Drogenschmuggel und zugehörige Gewalt, Schleuserkriminalität und Eigentumsdelikte.

In den vergangenen Jahren habe sich dieser Trend auf mehr Länder ausgeweitet, schreibt Europol. Die Rekrutierungsmethoden würden weiterentwickelt und Minderjährige mit gewaltsamen Aufgaben wie Erpressung oder Tötung beauftragt.

Verschlüsselte Nachrichtendienste in sozialen Medien und anpassbare Privatsphäreneinstellungen ermöglichen die Erstellung anonymer Gruppen und Kanäle. Diese würden oft eingesetzt, um illegale Aktivitäten zu organisieren – mit minimalem Risiko der Entdeckung. Die Täter könnten Nachrichten zur Selbstzerstörung senden, Nachrichtenverläufe löschen und den Gruppenzugriff auf verifizierte Mitglieder beschränken. Das mache es schwierig, die Kommunikation zu überwachen, da Interaktionen ohne hinterbleibenden digitalen Fußabdruck möglich seien.

Apps, die direkte Kommunikationskanäle bieten, machen physische Treffen überflüssig. Mit diesen seien viele junge Leute unterwegs, wodurch Rekrutierer eine große Zielgruppe mit wenig Aufwand erreichen. Mit Phrasen wie "einfaches Geld" oder "schnelles Bargeld" umschreiben die Kriminellen illegale Aktivitäten als attraktive Möglichkeiten und locken Minderjährige. Diese empfinden die Interaktionen als harmlos oder niedriges Risiko. Maßgeschneiderte Sprache einschließlich Slang, Emojis und kodierter Kommunikation sei für Außenstehende schwer zu verstehen und spricht Minderjährige an. Drogenbezogene Ausdrücke ersetzen sie mit Umgangssprache oder Symbolen. Eine Schneeflocke ersetzt etwa Kokain, oder Bäume stehen für Marihuana. "Geschäftsmöglichkeiten" oder "Geschäfte" lassen illegale Aktivtitäten legitim klingen und senken die Hürde für Minderjährige, bei diesen Aktivitäten mitzumachen.

Die Rekrutierer passten Sprache und Kommunikation an die von Influencern an und setzen auf "Gamification": Illegale Aufgaben präsentieren sie etwa als Wettbewerbe oder Missionen. Das sei typisch für soziale Medien und passe zur jungen Zielgruppe. Die kriminellen Aktivitäten verharmlosen sie so. In einigen Fällen kommen Videospiele als Anleitung zum Einsatz, um Schießen und gewalttätige Techniken zu erklären, erörtert Europol. Die Anwerber böten teils sogar Belohnung für die Erfüllung bestimmter Aufgaben an, um die Attraktivität zu erhöhen und Erfolgserlebnisse zu erzeugen.

Die Kriminellen setzen emotional aufgeladene Sprache ein, die Vertrauen, Loyalität und ein Zusammengehörigkeitsgefühl fördert. Anwerber lassen Minderjährige sich als "etwas Besonderes" fühlen, indem sie illegale Aktivitäten als nur für solche mit speziellen Fähigkeiten geeignet ausgeben. Sie schlagen Kapital aus den emotionalen Bedürfnissen der Bestätigung, Suche nach Schutz und einem Zugehörigkeitsgefühl. Das verwische die Grenzen zwischen Freundschaft und Ausnutzen und erschwere Minderjährigen, die Gefahren ihrer Beteiligung zu erkennen.

Während der Corona-Pandemie erlebte die Cyberkriminalität einen deutlichen Auftrieb, warnte die EU-Polizeibehörde. Täter nutzten die Lage aus, durch die mehr Menschen von zu Hause arbeiteten und somit Angriffe auf Firmennetze etwa mit Ransomware einfacher wurden. Es gab aber auch den Effekt, dass etwa die Gewalt gegen Minderjährige zunahm. Die verbrachten mehr Zeit unbeaufsichtigt online. Kriminelle haben sich etwa mit gefälschten Identitäten auf sozialen Netzwerken an Kinder herangemacht und diese zu sexualisierten Posen und Handlungen vor der Webcam gedrängt.

(dmk)