Evaluierung von Sicherheitsgesetzen: Aktionismus oder Augenmaß?
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und seine Kollegin im Justizressort, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), bewerten den Bericht der Regierungskommission zur Überprüfung von Anti-Terror-Maßnahmen unterschiedlich.
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und seine Kollegin im Justizressort, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), bewerten den jetzt veröffentlichten Bericht der gemeinsam eingesetzten Regierungskommission sehr unterschiedlich. Die Kommission, die von beiden Ressorts im Januar einberufen wurde, hatte die Aufgabe, die Sicherheitsgesetzgebung in Deutschland zu überprüfen. Einzelne Ergebnisse der Evaluierung waren bereits im Vorfeld bekannt geworden.
Mehrere Empfehlungen der Experten seien rasch umzusetzen, bei anderen weitere wissenschaftliche Erhebungen nötig, erklärte die Justizministerin bei der Vorstellung des 300-Seiten-Wälzers am Mittwoch in Berlin. Wichtig sei es vor allem, beim weiteren Vorgehen "keinen Aktionismus" walten zu lassen: "Das hat uns geprägt in den vier Jahren der Legislaturperiode."
Die Liberale empfiehlt, möglichst zügig das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Anti-Terror-Datei umzusetzen und gegebenenfalls auch auf die darauf aufbauende Rechtsextremismusdatei anzuwenden. Überdies sei kurzfristig der Schutz von Berufsgeheimnisträgern auszudehnen und die rechtsstaatliche Kontrolle der nach dem 11. September 2001 teils umfangreich erweiterten Befugnisse von Polizeien und Geheimdiensten zu verbessern. So sei es etwa vorstellbar, dass berechtigte Behörden eine erforderliche Genehmigung bei einer mit drei Richtern besetzten Kammer beim Landgericht einholen müssten statt beim Amtsgericht mit weniger strengen Prüfungen. Zudem könnten umfangreichere Benachrichtigungspflichten mit Löschpflichten für einzelne Datensätze vorgesehen werdedn. Auch über eine stärkere Stellung des Bundesdatenschutzbeauftragten sei nachzudenken.
Mittelfristig hält Leutheusser-Schnarrenberger die parlamentarische Kontrolle für ausbaufähig, so könnte etwa auch die für die Geheimdienste zuständige G10-Kommission des Bundestags stärker und frühzeitiger eingebunden werden. Als guten und nachvollziehbaren Ansatz bewertete sie den Vorschlag aus dem Bericht, dass das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG ) auch das Bundeskriminalamt (BKA) in seinen Tätigkeitsbereich mit einbeziehen solle, soweit dort nachrichtendienstliche Tätigkeiten stattfinden. Dabei handle es sich angesichts der bei der Behörde teilweise angesiedelten "Polizei-Präventivtätigkeit" und damit verknüpften Verlagerungen von Ermittlungen ins Vorfeld von Straftaten keineswegs um einen Systembruch. Generell möchte die Ministerin das Trennungsgebot zwischen Polizeien und Geheimdiensten stärker zur Geltung bringen und sicherstellen, dass Verdächtige nicht immer in einschlägigen Datenbanken bleiben.
Friedrich betonte, dass die Sicherheitsarchitektur in Deutschland nach dem 11. September "mit großem Augenmaß weiterentwickelt" worden sei. Dies bestätige der "sehr fundierte Bericht", in dem eine "große Spannbreite der Auffassungen" zu Tage trete. Dabei habe sich die Sicherheitslage gravierend verändert. Statt mit Terrorgruppen habe man es nun auch mit "selbstradikalen Einzeltätern zu tun", die etwa Bombenbau-Anleitungen ins Internet stellten und das Netz für Propaganda und ihre Kommunikation nutzten. Daher sei die Frage zu stellen, wie sich diese Gefährdung rechtsdogmatisch umsetzen lasse.
Dass hierzulande "Vorbereitungshandlungen unter Strafe" gestellt worden seien, hat dem Innenminister zufolge bereits dazu beigetragen, dass über fünf einschlägige Verfahren durchgeführt worden seien. Diese hätten dazu beigetragen, Anschläge zu verhindern. Auch die von den Experten kritisierten gemeinsamen Anti-Terror-Zentren seien wichtig. Darin werde eine Vielzahl von Sicherheitsbehörden mit unterschiedlichen Rechtsvorschriften so verknüpft, dass die gesammelten Informationen ein Lagebild ergäben, "mit dem Terror verhindert werden kann". Alle Beteiligten hätten dabei eigene Rechtsgrundlagen zur Weitergabe personenbezogener Informationen. So könnten ohne neue Rechtsqualität bestehende Gesetze effizient vollzogen werden.
Zu Auseinandersetzungen mit der Justizministerin etwa in Fragen des Ausbaus der parlamentarischen Kontrolle von Sicherheitsbehörden oder der Vorratsdatenspeicherung betonte Friedrich: "Es lohnt sich immer, mit guten Argumenten und Gegenargumenten zu kommen." Teils führten solche Debatten eben zu unterschiedlichen Ergebnissen, aber die Gemeinsamkeiten zwischen beiden Ressorts dürften nicht unterschätzt werden. "Die Gewichtungen werden etwas anders ausfallen", ergänzte Leutheusser-Schnarrenberger. Sie hoffe aber, dass die künftige Regierung mit dem neuen Parlament "im Interesse der Bürger etwas Vernünftiges aushandeln" könne.
Nach Ansicht der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) kommt der Bericht zu falschen Schlussfolgerungen. Die Anti-Terror-Gesetze hätten sich bewährt, gerade das Gemeinsame Terrorabwehrzentrum (GTAZ) in Berlin sei "ein gutes Beispiel für die reibungslose Zusammenarbeit von Polizei und Geheimdiensten". Als "völlig abwegig" bezeichnete die Lobbyvereinigung den Vorschlag zur Beaufsichtigung des BKAs durch das PKG. Die Behörde werde bereits von allen demokratischen Gewalten ausreichend kontrolliert. (jk)