Ex-US-Pilot: "Todesdrohnen sind die feigeste Art der Kriegsführung"
Der frühere Drohnen-Pilot Brandon Bryant hat die US-Todesmissionen im Anti-Terror-Krieg als "sehr schmutzige Arbeit" beschrieben und bekräftigt, dass die US-Militärbasis im rheinland-pfälzischen Ramstein eine zentrale Rolle dabei spiele.
"Ich wollte ein Held werden. Sie haben mich zum Mörder gemacht." Mit dieser Anklage gegen Washington und die US-Militärführung hat der Ex-Drohnenpilot Brandon Bryant seine fünfjährige Beteiligung an Todesmissionen der Vereinigten Staaten im Anti-Terror-Krieg am Freitag auf dem Symposium "Eyes from a Distance" in Berlin beschrieben. Er habe sich während seiner Zeit am Steuerhebel der Killermaschinen zwischen 2007 und 2011 nie als "Kämpfer" gefühlt: es handle sich um die "feigeste Art der Kriegsführung in der Menschheitsgeschichte".
Der Drohnenkrieg verletzte sämtliche militärischen Ehrenkodizes, die bislang kämpferische Auseinandersetzungen "zivilisieren" sollten, führte Bryant aus. "Wir haben das Ehrgefühl verloren." Was mit Artilleriebeschuss begonnen habe, bei dem sich die Feinde nicht mehr Auge gegen Auge gegenübergestanden hätten, in den Bombardements ganzer Städte seine Fortsetzung erlebt habe, werde mit dem Ausschalten von Gegnern quasi aus heiterem Himmel vorläufig vollendet.
Sein erster Drohnenschuss in Afghanistan habe sich gegen drei Personen gerichtet, "nur weil diese Waffen getragen haben", erinnerte sich der Ex-Militär. Ein solches Vorgehen werde von der US-Regierung zwar geleugnet, "aber es passiert so". Auch beim zweiten Mal habe er "einfach so" auf Menschen schießen müssen, nur weil diese zu einer bestimmten Zeit in ein anvisiertes Gebäude gegangen seien.
Nachdem ihm bei seinem "Job" letztlich "die Seele herausgerissen" worden sei, hat Bryant nach eigenen Angaben eine Therapie gemacht, eine völlig andere, auf das Retten von Kämpfern hinter feindlichen Linien ausgerichtete Tätigkeit ausgeübt und schied nach einer Verletzung im Training aus der Air Force aus. Er habe sich dann an die Presse gewandt, um die Öffentlichkeit über seine "sehr schmutzige Arbeit" in Kenntnis zu setzen. Der Drohnenkrieg sei keineswegs so "sauber, chirurgisch und anti-septisch", wie ihn die US-Regierung darzustellen versuche.
Anfangs sei er enthusiastisch gewesen über den technischen Aspekt seiner Tätigkeit. Der kleine Raum, in dem er stundenlang zusammen mit einem Kollegen in Lagern in Nevada, New Mexico und im Irak gesessen habe, sei nur von "14 Monitoren" erleuchtet worden, auf denen Daten wie Windgeschwindigkeiten, GPS-Informationen und der "ganze Pilotenkram" flimmerten. Manchmal habe er sich tatsächlich an dem hohen Vernetzungs- und Perfektionsgrad berauschen können. "99,9 Prozent" der Zeit sei in den beschatteten Gebieten aber nichts passiert. Er habe sich oft als Voyeur gefühlt, der Verdächtigen zugeschaut habe, wie sie ihre Ehefrauen umarmten oder mit ihren Kindern spielten.
Immer hätten die Piloten gezählt, wie viele Stunden sie geflogen seien und wie viele Menschen sie getötet hätten. Ihm sei am Ende sein "Punktestand" ausgehändigt und bescheinigt worden, an 1626 Todesmissionen beteiligt gewesen zu sein. Krieg sei aber kein Videospiel: "Wir müssen verstehen, was Gewalt mit uns tut, wie sie das Gehirn verändert", meint Bryant, der mit dem von ihm initiierten Projekt Red Hand mittlerweile nach ganz anderen Lösungen internationaler Konflikte sucht. "Es wird die gleiche Region stimuliert wie beim Sex."
Die US-Basis im pfälzischen Ramstein diene als zentraler Punkt für den Austausch aller Informationen, die Drohnenflüge des Pentagons und der CIA benötigten, bekräftigte der Whistleblower seine entsprechenden früheren Aussagen. Er habe vor jedem Start der Maschinen erst die dortige Vertragsfirma SAIC anrufen und klären müssen, ob die benötigte Funkverbindung stabil sei. Alle Daten aus dem Nahen Osten liefen über Ramstein. Er gehe davon aus, dass die Spitze der Bundesregierung darüber Bescheid wisse.
Dies legen auch Dokumente nahe, die der "Spiegel " und "The Intercept " gerade veröffentlicht haben beziehungsweise daraus zitieren. Demnach teilte eine Abteilung der US Army 2011 etwa dem Verteidigungsministerium mit, in Kürze in Ramstein eine Relaisstation für Drohneneinsätze in Form eines Antennenfeld zum Übermitteln von Informationen aus dem Feld fast in Echtzeit errichten zu wollen. Damit werde ein "einzigartiges Kontrollzentrum" für den Einsatz von "Predators", "Reapers" und "Global Hawks" geschaffen.
Die Koordination der Flugoperation in Ländern wie Afghanistan, Pakistan und ganz Afrika laufe über Ramstein, berichtete auch der Investigativjournalist John Goetz. Beim Erstellen der Todeslisten schaue eine ganze Armee von Spezialanwälten darauf, ob Standards für Exekutionen eingehalten würden. Dies sei eine Wissenschaft für sich.
"Staaten haben die Verpflichtung, ungerechtfertigte gezielte Tötungen zu verhindern", ergänzte die italienische Strafrechtlerin Chantal Meloni. Als Kriegsverbrechen sei etwa ein ungesetzlicher Angriff auf Zivilisten zu werten, wenn zudem eine kriminelle Absicht nachzuweisen sei. An diesem Punkt bleibe international nicht einmal eine rechtliche Grauzone für "targeted killings". Auch ein Drohnenpilot könnte theoretisch verfolgt werden, wenn er sich über einen illegalen Abschuss im Klaren gewesen sei und absichtlich auf den Auslöser gedrückt habe. Auch das EU-Parlament habe voriges Jahr erklärt, dass Drohnenschläge außerhalb von Kriegszonen ohne des UN-Sicherheitsrats eine Verletzung internationalen Rechts und der Souveränität der betroffenen Staaten darstellten.
Der Aktivist Marek Tuszynski beklagte, dass der Drohnenkrieg "Formen der organisierten Kriminalität verwendet, um genau diese zu bekämpfen". Oft führe schon abweichendes Verhalten dazu, um in die Kategorie "böse" eingestuft zu werden. Die digitale Generation dürfe aber nicht vergessen, "dass wir alle mit der von uns genutzten Hardware und der Inanspruchnahme von Online-Diensten das Überwachungssystem füttern". Jeder sei in das System der Informationssammlung durch Formen der "totalen Überwachung" durch Netzkonzerne und Geheimdienste eingebunden. (jo)