Exodus bei der Perl Foundation: Mitarbeiter gehen nach Affäre um Code of Conduct

Zwischen Board und Community-Team gibt es Differenzen, die Community-Affairs-Leitung, ein Core-Maintainer und weitere Mitarbeiter wie Curtis Poe steigen aus.

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(Bild: Ustyna Shevchuk/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Silke Hahn
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Bei der Perl Foundation (TPF) hängt zurzeit offenbar der Haussegen schief: Seit dem Frühjahr haben mindestens vier prominente, teils langjährige Stiftungsmitglieder und weitere Mitarbeiter das Handtuch geworfen, zuletzt binnen einer Woche mehrere in Folge. Inmitten der teils öffentlich ausgetragenen internen Machtkämpfe zwischen Stiftungsrat, Community und Community Affairs Team lässt sich kein einzelner Grund für die Probleme ausmachen, sondern eher ein strukturelles Minengebiet: Hintergrund der jüngsten Zerwürfnisse sind laut einem Blogeintrag auf der Stiftungswebseite und Stellungnahmen auf Twitter wohl Differenzen über die Definition und Ahndung von Fehlverhalten in der Community.

Der Stiftungsrat hatte vergangene Woche die für die Beilegung von Community-Streitigkeiten zuständige Abteilung CAT (Community Affairs beziehungsweise Action Team) nach einer Überprüfung vorläufig stillgelegt und die von CAT bisher veröffentlichten Untersuchungen zu Fehlverhalten in der Community zurückgezogen, die dabei verhängten Sanktionen hingegen in Kraft gelassen. Die Begründung für die Intervention ist laut einem Blogeintrag der Reviewer, dass das CAT-Team bislang nur einen provisorischen Entwurf der Richtlinien (draft charter) an der Hand hatte.

De facto entzog die Stiftung damit dem CAT-Team die als provisorisch bezeichnete Arbeitsgrundlage und legte die Abteilung auf Eis – "bis eine reguläre Satzung in Kraft trete", wofür in dem Beitrag jedoch kein Datum genannt wird. Die bisherige Obfrau des Community Affairs Teams Samantha McVey wandte sich daraufhin per Tweet von der Stiftung ab, am selben Tag zog auch Elizabeth Mattijsen vom TPF Grant Committee die Reißleine.

Die Unstimmigkeiten dürften weitreichender sein als der aktuelle Streit über das Agieren des CAT-Teams, strukturelle Mängel hatten schon länger für Unmut gesorgt. Sawyer X, zuvor Mitglied des aus drei Personen bestehenden Steering Council und eine Schlüsselfigur bei der Entwicklung am Kern der Programmiersprache, der als Maintainer der gesamten Sprache galt, hatte sich bereits im April 2021 von der Mitarbeit in der Stiftung zurückgezogen. Nach Kritik an einigen Elementen der Sprache ("there is cruft in [Perl]" – cruft steht für Redundanzen) war er offenbar aus der Perl-Community mit Hass-Nachrichten geflutet worden und musste zwischenzeitlich sein Twitter-Konto stilllegen. Ein mutmaßlicher Rädelsführer der Auseinandersetzung namens Matthew wurde vom CAT-Team mit einem "Permaban" (permanenten Ausschluss) belegt, was später zu einem einjährigen Ausschluss abgemildert wurde.

Im Juni hatte dann der Perl-Entwickler und SUSE-Mitarbeiter Sebastian Riedel die Perl Foundation verlassen – einem Twitter-Post zufolge offenkundig frustriert, da die breitere Perl-Community seiner Wahrnehmung nach "absolut keinen Einfluss auf die Perl Foundation" habe. Diese sei "beherrscht von Vetternwirtschaft, und als einfacher Perl-Entwickler kommt man nicht dagegen an". Riedel hatte rassistische Äußerungen eines Perl-Entwicklers gemeldet, was ihm zufolge ignoriert worden war. Mitarbeiter des Technik-Portals Ars Technica konnten seine Darstellung verifizieren, da die kompromittierenden Dateien offenbar weiterhin im Netz abrufbar sind.

Noch fehlt der TPF eine verbindliche Satzung, Mitglieder beklagen in den sozialen Netzwerken das Fehlen eines Code of Conduct, der die Zusammenarbeit innerhalb der Community, aber auch innerhalb der Stiftung und untereinander in geordnete Bahnen lenkt. Die bisherige CAT-Leiterin McVey begründete ihren Rückzug mit dem Fehlen einer offiziellen Satzung und kündigte an, ihre Tätigkeit mindestens so lange ruhen zu lassen, bis die TPF sich selbst eine klare Struktur verpasst habe. Ob sie sich eine Rückkehr grundsätzlich vorstellen kann, lässt der Tweet offen. Mittlerweile hat sich auch das Perl-Schwergewicht Curtis Poe (Autor von unter anderem "Perl Hacks" und "Beginning Perl") von seinen bisherigen Funktionen im Board of Directors zurückgezogen. Auf GitHub begründet er seinen Rückzug mit einem "Burnout".

Wie es bei der Perl Foundation nach dem Exodus der Mitglieder weitergeht, ist zurzeit unklar. Wer tiefer in die Materie eintauchen will, findet eine umfangreiche, wenngleich deprimierende Sammlung an Original-Tönen und Primärquellen in einem Bericht des Technikjournalisten Jim Salter im Tech-Portal Ars Technica. Teile der Auseinandersetzung ("The Cat Saga Rumbles on") lassen sich auf Reddit nachlesen und geben einen Eindruck von der eingefahrenen Diskussion.

(sih)