Exzessiver Medienkonsum: Ein untererfasstes Problem?

Exzessiver Medienkonsum ein laut einer Beratungsstelle in Niedersachsen zunehmendes Problem. Eine genaue Definition der Störung wäre nötig.

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Hipster im Büro mit mobilen Endgeräten

(Bild: SFIO CRACHO/Shutterstock.com)

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In Niedersachsen leiden rund 50.000 Menschen unter internetbezogenen Störungen, schätzt das niedersächsische Gesundheitsministerium. Zugleich sei die Störung nicht klar definiert, kritisiert unter anderem die anonyme Drogenberatung (drob) in Delmenhorst, berichtet die dpa.

Cornelia Horn von drob erklärt: "Zu uns kommen immer mehr Menschen mit problematischem Medienkonsum." Die Beratungsstelle geht von einer hohen Dunkelziffer in allen Altersgruppen aus. Im Gegensatz zu anderen Süchten sei ein problematischer Medienkonsum allerdings nicht genau definiert, zeige sich aber auch nicht unmittelbar – etwa durch gesundheitliche Folgen. Erst wenn etwa die Schulleistungen nachlassen oder in der Ausbildung Schwierigkeiten auftreten, würden sich Eltern an die Beratungsstelle wenden. Nach Alkohol und Cannabis sei das Thema der häufigste Grund bei der Beratung von Angehörigen. "Der Leidensdruck ist lange Zeit nicht so groß und offensichtlich wie bei Alkohol oder anderen Drogen."

Auch unter Erwachsenen sei die Zahl der Betroffenen relativ hoch, nur falle der Konsum oftmals weniger auf, erklärt Horn. Warnzeichen könnten sein, dass die Interessen sich verengen und Betroffene ihren Alltag nicht mehr richtig bewältigen können. Da es keine genaue Definition der Störung gebe, stehe die Einrichtung aber vor Problemen bei der Ausstattung des Angebots. "Gäbe es eine Definition, ließen sich hieraus Ansprüche ableiten," – für Betroffene ebenso wie für Beratungsstellen."

Dass das Beratungsangebot für Menschen mit einer Internetnutzungsstörung weiter verankert werden sollte, fordert laut dpa auch Astrid Müller, Professorin an der Medizinischen Hochschule Hannover. Sie begleitet wissenschaftlich das niedersächsische Projekt "re:set!", welches sich mit exzessivem Medienkonsum beschäftigt. Über das Projekt sollen spezielle Angebote zur Beratung und Hilfe bei Mediensucht oder Mediensuchtgefährdung in den entsprechenden Fachstellen aufgebaut werden. Für die Versorgung ist für Müller wichtig, "dass Projekte zur Internetnutzungsstörung verstetigt werden."

Momentan gibt es ein Beratungsangebot zu exzessivem Medienkonsum in 16 Beratungsstellen in Niedersachsen. Ein ortsunabhängiges Angebot für Eltern von Kindern und Jugendlichen mit mutmaßlichen Suchterkrankungen ist das Online-Angebot ELSA. Die Beratung kann dort anonym in Anspruch genommen werden und ist kostenlos. Das Projekt wird unter anderem vom Bundesministerium für Gesundheit gefördert.

Laut der KIM-Studie 2022 gaben zwei Drittel der befragten Eltern an, nicht genau zu wissen, wie lange ihr Kind an PC, Laptop, Tablet, Smartphone oder Spielkonsole ist.

(kbe)