FDP im Spagat bei der Verfolgung von Urheberrechtsverletzern

Die Liberale Sabine Leutheusser-Schnarrenberger drängt auf einen durchsetzungsstarken Auskunftsanspruch gegen Provider, will dabei aber Bürgerrechte wahren. Auch sonst sorgt die Urheberrechtsnovelle weiter für Unruhe.

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Die von der Bundesregierung in zwei separaten Verfahren geplanten Änderungen am Urheberrechtsgesetz haben die FDP in eine missliche Lage gebracht. Die Liberalen bestehen einerseits auf einer Stärkung der Rechte der Verwerter und geben sich als Beschützer der Unterhaltungsindustrie. Andererseits treten sie traditionell für die Bürgerrechte ein. Gerade bei der umstrittenen zweiten Stufe der Urheberrechtsnovelle und der gleichzeitig geplanten Umsetzung der umstrittenen EU-Richtlinie zur Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte stoßen diese Politiklinien zusammen. Wichtigster Streitpunkt ist die Ausgestaltung eines zivilrechtlichen Auskunftsanspruchs gegen Internetprovider, den Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) im Rahmen der Implementierung der Durchsetzungsdirektive schaffen will.

Die rechtspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, hat nun die Spannweite dieses Spagats aufgezeigt. Die FDP unterstützt ihrer Angabe nach den Ansatz der "Enforcement-Richtlinie". "Das gilt auch und gerade für das Internet, in dem heute ein großer Teil der Urheberrechtsverletzungen begangen wird", betont die Ex-Justizministerin. Dabei handle es sich nicht um "Kavaliersdelikte", sondern um "Schäden in Millionenhöhe". Der Bundestag müsse daher bei der Debatte über die Umsetzung der Durchsetzungsrichtlinie sicherstellen, dass die mit der im Raum stehenden Befugnis zur Einholung sensibler Nutzerdaten bei den Providern verknüpfte Identitätsfeststellung von Rechtsverletzern im Internet "nicht von vornherein ins Leere läuft". Ein Auskunftsanspruch, der von Anfang an wertlos ist, wäre laut der FDP-Politikerin "eine rechtspolitische Farce".

Dass künftig IP-Adressen und andere Nutzerkennungen im Überfluss gespeichert werden, ist Ziel der Richtlinie zur verdachtsunabhängigen Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetdaten. Hier hat sich Bundestag mit den Stimmen der Großen Koalition bereits dafür ausgesprochen, dass im Rahmen der Umsetzung ins nationale Recht Ermittler auch bei allen "mittels Telekommunikation begangener Straftaten" auf die immensen Datenhalden zugreifen dürfen. Dies würde etwa bei der illegalen Nutzung von Tauschbörsen der Fall sein. Die Unterhaltungsindustrie, die sich in Brüssel vehement für die Vorratsdatenspeicherung einsetzte, könnte damit letztlich an die bei den Providern vorgehaltenen Informationsberge herankommen. Für ihre Auskunftsansprüche wäre so mehr als genügend Datenmaterial vorhanden und der von den Liberalen gefürchtete Leerlauf abgestellt.

Vor dem Rückgriff auf die Vorratsdaten schreckt die FDP dann aber doch zurück. Es sei für die Liberalen "selbstverständlich, dass die Ausgestaltung des Auskunftsanspruchs unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben zum Schutz personenbezogener Daten erfolgen muss", hält Leutheusser-Schnarrenberger fest. Der Auskunftsanspruch gegen Dritte darf ihrer Meinung nach "kein Einfallstor für eine Vorratsdatenspeicherung zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche sein". Es handle sich schließlich um Daten, "die künftig ausschließlich zum Zwecke der Verbrechensbekämpfung aufbewahrt werden müssen". Sie spielt damit darauf an, dass die Richtlinie eigentlich einen Zugriff der Strafverfolger auf die gesammelten Informationen nur bei "schweren Straftaten" vorsieht und unter dem Aufhänger der Terrorismusbekämpfung in Brüssel forciert wurde. Gleichzeitig hält der verabschiedete Text aber den Mitgliedsstaaten zahlreiche Türen zur Ausweitung offen. Doch auch beim Schutz des geistigen Eigentums, so die Ansage der FDP-Politikerin, müssten die Bürgerrechte geachtet werden.

Wenig Freunde bei Urhebervereinigungen machen sich die Liberalen derzeit ferner mit ihrer Linie, für eine Absenkung der Urheberrechtsabgabe zugunsten einer individuellen, über Systeme zum digitalen Rechtekontrollmanagement bewerkstelligten individuellen Vergütung der Kreativen einzutreten. So hat jetzt auch das P.E.N.-Zentrum Deutschland die geplante Novelle zum so genannten 2. Korb der Urheberrechtsüberarbeitung heftig kritisiert. "Der Entwurf gefährdet die Existenzgrundlage von Autoren", mahnte Wilfried F. Schoeller, der Generalsekretär des Schriftstellerverbands. Ihm missfällt vor allem, dass die Vergütungspauschale zwischen Urheberrechtsvertretern und der Geräteindustrie künftig frei ausgehandelt werden soll. "Dass sich kleine Verwertungsgesellschaften und damit die Autoren im freien Spiel des Marktes gegen die Interessen großer Konzerne durchsetzen können", hält Schoeller für illusorisch.

Den Justiziar des Börsenvereins des deutschen Buchhandels, Christian Sprang, ärgert die im Gesetzesentwurf vorgesehene Deckelung der Vergütungspauschale auf fünf Prozent. Sein Kollege von der Arno-Schmidt-Stiftung, Joachim Kersten, spricht gar von einer "Kartellbildung hinter dem Rücken demokratischer Institutionen". Die Oligopole der Gerätehersteller stünden unter dem Deckmantel der Zweckrationalität im Begriff, "mit technischer Innovation Menschen von Nutzern zum Opfer entfesselter Wirtschaftsmacht zu degradieren". Auch der Deutsche Musikverleger-Verband (DMV) hat sich strickt gegen die Deckelung der Vergütungsabgabe gewandt. Aus der Wissenschaft kommen zudem etwa von der Universitätsbibliothek Würzburg weitere Warnungen, dass angesichts der restriktiven Vorgaben der Regierung zum Versand von Fachliteratur Deutschland über das Urheberrecht "ein bildungs- und wissenschaftsfeindliches Land zu werden droht".

Zu den Diskussionen um das geistige Eigentum, zu den juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Artikel auf c't aktuell (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):

(Stefan Krempl) / (jk)