FMX 2023: der Fotorealismus von "Avatar: The Way of Water"

Auf der Konferenz für visuelle Effekte FMX in Stuttgart erklärten VFX-Supervisor von Wētā FX wie sie den Fotorealismus im Avatar-Sequel auf die Beine stellten.

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Filmszene: Außerirdischer Humanoide unter Wasser, dazu viele kleine Fische

Referenzaufnahmen im Wassertank halfen, bei der Animation der Charaktere in Avatar: The Way of Water die Dichte des Wassers zu berücksichtigen.

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Inhaltsverzeichnis

Es braucht ein Riesenteam, um einen monumentalen Film wie Avatar: The Way of Water auf die Beine zu stellen. Die Produktionskosten betrugen ohne Marketingbudget fast eine halbe Milliarde US-Dollar. 2,3 Milliarden US-Dollar hat der Film seit Dezember 2022 eingespielt. Damit hat Regisseur James Cameron abermals den erfolgreichsten Film aller Zeiten abgeliefert. Und er läuft noch jetzt in den Kinos.

Am zweiten Teil der Avatar-Reihe wirkten seit dem Jahr 2017 beim Effektstudio Wētā FX in Neuseeland 1700 3D-Künstler mit. VFX-Mitarbeiter Stephen Clee, Sam Cole und Pavani Rao Boddapati gaben auf der Konferenz für visuelle Effekte, Animation und immersive Medien FMX2023 in Stuttgart einen Einblick in ihre Arbeit.

Die Produzenten James Cameron und John Landau zogen für mehrere Jahre ins neuseeländische Wellington, um das Projekt zu stemmen. Die Pandemie verzögerte das ursprünglich für 2020 anvisierte Releasedatum bis Ende 2022. Auch weil es sich während der Quarantänezeit schwierig gestaltete, neue Talente nach Neuseeland zu holen, zog Wētā FX weitere Standorte in Vancouver und Melbourne auf.

Wētā FX baute insgesamt 5750 digitale Assets, darunter 57 Spezies der fremden Welt Pandora, 179 Charaktere der blauhäutigen Einwohner Na'vi und 230 neuartige Pflanzen. Nur zwei Einstellungen im Film kommen ohne Effekte aus. Wētā FX produzierte 2300 CFX-Einstellungen, hat allein 1400 Na'vi-Schwänze animiert, 18,2 Petabyte Daten produziert und 67.000 Arbeitswochen investiert.

Dabei entstand der Film nicht ausschließlich im 3D-Programm, denn so hätte das Effektstudio nicht den erstaunlichen Fotorealismus dieser völlig fremden Welt erreicht.

Viele Performance-Capture- und Film-Aufnahmen entstanden in großen Wassertanks wie diesem.

Wie im ersten Film nutzte James Camerons Team am Set virtuelle Produktion, um unmittelbar eine grob gerenderte dreidimensionale digitale Version zu erzeugen. Sie half schon damals, Bäume oder Berge grob zu positionieren. In der Fortsetzung umfasste sie auch Set-Erweiterungen wie Aufbauten im Schiff und digitale Charaktere.

Die fast drei Meter großen Na’vi entstanden digital. Damit die Schauspieler aber auf etwas reagieren können, zogen Komparsen Bildschirme durch das Set, die Aufnahmen der Schauspieler mit ihren Dialoganteilen der Na'vi-Charakteren zeigten. Im Effektstudio wurde später der gesamte Bildschirm digital durch eine Na'vi-Figur ersetzt.

Alle Schauspieler mussten für Unterwasseraufnahmen vor den Dreharbeiten einen Tauchschein machen und lernen, für mehrere Minuten die Luft anzuhalten.

Für einen Großteil der Animationen machten die Filmer Referenzaufnahmen. Sie waren ausschlaggebend für realistische Muskelstränge unter der Haut und das plausible Schwingen eines Anhängers um den Hals. Produzent Landau sprach nicht von Motion-Capture, sondern von Performance Capture.

Die Na'vi haben vier statt fünf Finger. Außerdem sind sie länger und schlanker. Damit Handanimation so authentisch wie möglich aussieht, filmte die Crew die Hand von Zoey Saldana, wie sie Holzperlen durch die Finger gleiten lässt. Die Animation wurde später minutiös auf die digitale Figur der von ihr gespielten Neytiri übertragen. Dabei berücksichtigten sie auch subtiles Muskelspiel im Oberarm und in den Schultern.

Zur Animation der Hände und Muskeln machte das Filmteam umfangreiche Referenzaufnahmen.

Viele Referenzszenen drehten die Filmer in einem großen Wassertank. Alle Schauspieler mussten vor Drehbeginn einen Tauchschein machen. Für die Wasserfahrzeuge haben Setdesigner lebensechte fahrbare Modelle gebaut, inklusive ein Walfangschiff mit Harpune.

Die Aufnahmen im Wassertank halfen auch Schwimmbewegungen realistisch wiederzugeben. Wasser ist um den Faktor 1000 dichter als Luft. Es wäre verlockend, die Stuntleute auf Schaumstoff springen zu lassen und alles andere am Computer zu animieren. Die Gefahr besteht, dass es wirkt, als würde Peter Pan durch die Luft fliegen.

Auf realistische Flüssigkeitssimulation setzte Wētā FX einen besonderen Fokus, denn schließlich spielt der Film hauptsächlich im Wasser. Die sogenannte Water Task Force, kurz WTF, studierte nacheinander das Verhalten eines Tropfens, eines Balls mit 10 cm Durchmesser und von Stuntleuten, die ins Wasser tauchten, um das Verhalten der Flüssigkeit möglichst genau zu simulieren.

Physiksimulation unter Zuhilfenahme von "Künstlicher Intelligenz" soll Wellenbewegungen möglichst realistisch wiedergeben. Das Wasser besteht in der Simulation aus verschieden großen Partikeln, die von flüssigem Wasser über Tropfen, Gischt und Nebel immer kleiner werden. Die gewonnenen Erkenntnisse zahlten sich aus, beispielsweise wenn Na'vi-Charaktere dem Wasser entsteigen oder Schnellboote durch den Ozean pflügen.

Für die Nachtszenen simulierte Wētā FX die Biolumineszenz der Flora und Fauna in irdischen Ozeanen. Dafür wurden Nachtaufnahmen mit selbstleuchtendem Plankton gemacht und mit Schwarzlicht beleuchtete Korallen gefilmt. Die Korallen absorbieren den Blauanteil des Schwarzlichts und reflektieren die anderen Farbanteile. Damit erzeugen sie ein charakteristisches Farbenspiel, das als Referenz für die Nachtszenen auf Pandora diente. Sie sollten exotisch wirken, aber eine Grundlage in der wirklichen Welt haben, um einen realistischen Eindruck zu erwecken.

Im Flammenmeer droht Pandora letztlich unterzugehen: Auch hierfür nutzte das Effektteam reale Flammen als Vorbild.

Das Skript verlangte, dass die 3D-Künstler Feuer in ihrer schönen Wasserwelt legten. Im Film brennt Holz, aber auch die Flüssigkeit von Flammenwerfern. Referenzaufnahmen umfassten daher Brände von weichem und hartem Holz, Diesel und Benzin vor schwarzem und grünem Hintergrund.

Die Liebe zum Detail zahlt sich aus: Die Geschichte mag einfach gestrickt sein. Im Kinosessel fällt es leicht, in die Welt von Avatar: The Way of Water einzutauchen und für drei Stunden dem Eindruck zu erliegen, man besuche eine fremde Welt.

(akr)