FOSDEM: Entwicklerpreis für Jura-Professor

Der im Rahmen des Free and Open Source Software Developers' European Meeting (FOSDEM) verliehene Free Software Award geht in diesem Jahr an den Stanford-Professor Lawrence Lessig.

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Von
  • Detlef Borchers

Vor ca. 1000 Zuhörern eröffnete John "Maddog" Hall gestern an der Freien Universität Brüssel das dritte Free and Open Source Software Developers' European Meeting (FOSDEM). Die Fosdem ist ein Arbeitstreffen verschiedener Entwicklergruppen, die jeweils eigene Räume beziehen, ergänzt um Vorträge mit 20-300 Zuhörern, in denen Projekte dem Rest der "Community" vorgestellt werden. Diesmal waren GNOME, KDE, Mozilla, PostgreSQL, GNUStep und Embedded System mit eigenen Bases vertreten. Die gesamte FOSDEM ist offen und wird allein von Spenden, T-Shirt-Verkäufen und einigen wenigen Sponsoren, vor allem vom Verlag O'Reilly, finanziert. Entsprechend ungenau sind Schätzungen zur Teilnehmer-Zahl, sie liegen zwischen 1200 und 1500 Besuchern.

In seiner Eröffnungsrede erzählte der von Hewlett Packard gesponserte Hall von der Geschichte der Freien Software von 1943 bis heute. Hall betonte, das schon der freie Austausch von Source-Code bei den Programmieren von Großrechnern als Beginn der freien Softwareentwicklung gelten muss, auch wenn die Bewegung erst mit Stallmanns "großer Weigerung" anno 1984 ihre Form und 1998 mit Linux auch die nötige Schwungmasse bekam. Selbst die Dotcom-Blase wurde von Hall als wichtiger Grund für den Erfolg freier Software gewürdigt: technisch beschlagene Jungunternehmer hätten so im breiten Stil ohne Vorurteile die Vorteile freier Software ausgenutzt. Unter dem Stichwort "Free Software and Government" skizzierte Hall am Beispiel der chinesischen Regierung, das bis hin zur kompletten Kriegsführung der Einsatz freier Software von Staats wegen möglich ist. Auf einen Zuruf, welche Rolle die Software im Irak spielen würde, ging Hall nicht ein.

Die zweite Keynote der FOSDEM lieferte Richard Stallmann mit einem Angriff gegen das Patentwesen. "Patente sind wie Krebs und haben das Zeug, die Bewegung zu spalten", urteilte Stallmann. Er warnte die Entwickler eindringlich davor, sich auf Patente zu verlassen. Wenn kleine Firmen Patente haben, werde dies von großen Firmen wie IBM ausgenutzt, diese im Rahmen eines Cross-Licensing zu übernehmen.

Unter den öffentlichen Vorträgen des ersten Tages erzielte Havoc Pennigton die größte Resonanz, als er vom Projekt Free Desktop berichtete. Pennington betonte unter Erwähnung der Desktops von KDE und GNOME, dass die quelloffene Software motivierende Konkurrenz brauche, um sich weiterzuentwickeln, dass aber die gemeinsamen Grundlagen nie verloren gehen dürfen. Der Free Desktop als Sockel, auf dem sich mündige Anwender selbst entscheiden können, ist nach Pennington noch nicht fertig und offiziell anerkannt, aber im Lichte neuerer Entwicklungen unvermeidlich. Pennington richtete einen Appell an die Anwender, sich als mündige Verbraucher zu Worte zu melden. "Verlangt alle, dass die Anwendungen sich orthogonal zu den Umgebungen verhalten, in denen sie laufen. Die Entwickler von Desktop-Umgebungen müssen zur Verantwortung erzogen werden."

Den Höhepunkt des Treffens markierte die Verleihung des Free Software Award (ein mit Gnus bestickter Wandteppich) an den Stanford-Professor Lawrence Lessig. Lessig wurde geehrt, weil Freie Software immer auch eine ethische und politische Komponente habe, meinte Stallmann in einer knappen Laudatio. Lessig, der zwischen London und Berlin in Brüssel Station machte, nutzte die Preisverleihung zu einem Rundumschlag gegen unsinnige Copyrights, die die Freiheit der Wissenschaft und Kultur gefährden. Sein Dank endete mit einem Appell an die Entwickler: "Ihr braucht freie Software, wir alle brauchen eine freie Kultur." (Detlef Borchers) / (wst)