Faeser will Urteil gegen Handy-Durchsuchungen bei Flüchtlingen umgehen

Innenministerin Faeser bringt ein gestuftes Verfahren ins Spiel: Das Auslesen von Datenträgern von Asylbewerbern soll sofort, das Auswerten später möglich sein.

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Hände am Smartphone im Dunkeln

(Bild: photobyphotoboy/Shutterstock.com)

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Mit einem juristischen Trick will Bundesinnenministerin Nancy Faeser den Kerngehalt des Urteils des Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) vom Februar aushöhlen, wonach die gängige Praxis zur Durchsuchung von Mobiltelefonen bei Flüchtlingen rechtswidrig ist. Dies geht aus dem Diskussionsentwurf zur "Verbesserung der Rückführung" hervor, den die SPD-Politikerin vorige Woche vorgelegt hat. Demnach sollen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und andere Ausländerbehörden zunächst Datenträger – etwa nach Herausgabe eines Passwortes oder unter Zuhilfenahme biometrischer Merkmale der Betroffenen – auslesen dürfen, wenn der Ausländer nicht im Besitz eines gültigen Passes oder anderen Ausweisdokumentes ist.

Das Auswerten der ausgelesenen Daten soll dem Entwurf zufolge gegebenenfalls später erfolgen, soweit dies für die Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit des Ausländers erforderlich ist und der Zweck der Maßnahme nicht durch mildere Mittel erreicht werden kann. Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung sollen vermieden werden. Sie könnten nicht verwertet werden. Die Datenträger dürften zudem nur von einem Bediensteten ausgewertet werden, der die Befähigung zum Richteramt hat.

"Die Änderung dient der Konkretisierung", die aufgrund der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nötig geworden sei, erläutert das Bundesinnenministerium (BMI) dazu in der Begründung zum geplanten Paragraf 15a des Asylgesetzes. Entscheidend sei, das Verfahren für das BAMF praxistauglich zu halten. "Um dies zu gewährleisten, wird ausdrücklich zwischen den Schritten des Auslesens und des Auswertens unterschieden", heißt es. Das BVerwG hat in seinem Leitsatz bereits über dem Urteilstext betont: Der Begriff der Auswertung von Handys & Co. umfasse "sämtliche Maßnahmen" zur Klärung von Identität und Staatsangehörigkeit eines Ausländers: "Dazu gehört auch das Auslesen eines Datenträgers."

Das BMI begründet seine Initiative so: "Mit dem frühzeitigen Auslesen wird gewährleistet, dass dieser Schritt bereits im Rahmen der Antragstellung erfolgen kann und damit zu einem Zeitpunkt, in dem im Rahmen der Abläufe des Asylverfahrens eine größtmögliche Wahrscheinlichkeit eines Vorhandenseins von relevanten Daten besteht." Es handle sich um den "wenigsten intensiven Eingriff", da sonst der jeweilige Datenträger länger einbehalten werden müsse. Das Auswerten sei weiterhin nur dann zulässig, "wenn dies erforderlich ist und keine milderen Mittel zur Verfügung stehen". Dieser Schritt soll spätestens zur Anhörung erfolgen. Der Ausländer habe bis dahin die Möglichkeit, gültige hoheitliche Dokumente vorzulegen und so das Durchforsten der Daten zu vermeiden.

Zugleich will das BMI einen breiten Begriff eines Datenträgers festschreiben. Ihm zufolge soll klargestellt werden, dass davon sämtliche mobilen Geräte einschließlich Smartphones "und externer Datenwolken" umfasst sind. Als Beispiel für eine solche Cloud-Anwendung nennt es Google Drive. Das Bedürfnis für diesen Zusatz ergebe sich "aus der zunehmenden Bedeutung dieser Form der Datenspeicherung bei Personen aus vielen Herkunftsländern". Sarah Lincoln von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die die ausschlaggebende Klage einer Afghanin vor dem BVerwG unterstützte, bezeichnete den geplanten Ansatz gegenüber Netzpolitik.org als "völlig unverhältnismäßig". Die Initiative unterlaufe nicht nur das Urteil, sondern verletze auch verfassungs- und europarechtliche Vorgaben zum Datenschutz. Sollte das Gesetz so verabschiedet werden, bleibe nur noch der Weg vors Bundesverfassungsgericht.

(olb)